a. Grundfälle

Die Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG ist ein Sondertatbestand, bei dem entweder Anteile i.H.v. seit 1.1.2023 mindestens 90 % an einer Gesamthand erstmals in einer Hand vereinigt werden (§ 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG) oder bereits vereinigte Anteile übertragen werden (§ 1 Abs. 3 Nrn. 3 oder 4 i.V.m. Abs. 3a GrEStG[55]).

Anders als bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist bei der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG auch die Anteilsvereinigung aufgrund eines Erwerbs durch Todesfall erfasst; dieser ist nicht von vornherein ausgenommen.[56]

[55] Dazu Dorn/Niesmann, DStR 2022, 1988, 1992.
[56] Nienhaus, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 2. Aufl. 2022, § 1 Rn 87.

b. Befreiung unentgeltlicher Anteilsvereinigungen

Schenkweise Anteilsübertragungen sind befreit; § 3 Nr. 2 GrEStG ist anwendbar.[57] Damit sind neben den Erwerben von Todes wegen alle unentgeltlichen Vorgänge unproblematisch. Auch bei zwei unentgeltlichen Teilakten kann die Anteilsvereinigung nur nach § 3 Nr. 2 GrEStG befreit sein, soweit sie auf der konkret den Tatbestand auslösenden Schenkung, nicht etwa der Vorschenkung, beruht.[58]

Weitere Verkleinerungen des steuerbefreiten Teils ergeben sich dann ggf., wenn mehrere unentgeltliche und entgeltliche Zuwendungen einander nachfolgen und insbesondere die letzte, für die Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG einzig relevante Schenkung teilentgeltlich ist. Der steuerbefreite Teil wird dann letztlich über Relationsbetrachtungen, der Werte beider Schenkungen zum Gesamtbetrag und des unentgeltlichen Teils, letztlich also über die Steuerbarkeit nach dem ErbStG und damit die Legitimation zur Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG ermittelt.

[57] BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl II 2012, 793; GLE v. 19.9.2014, BStBl I 2018, 1069, Tz. 1.
[58] GLE v. 19.9.2018, BStBl I 2018, 1069, Tz. 1, Bsp. 2.

c. Teilweise keine persönlichen Befreiungen

In allen Fällen einer Anteilsvereinigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft kann nur die Vorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG entlastend wirken, betreffend den unentgeltlichen Teil. Ist sie ausgeschlossen, tatbestandlich durch eine nichtsteuerbare Rückforderung eines zuvor mit Rückforderungsvorbehalt geschenkten Gegenstands oder bezüglich des entgeltlichen Teils, soweit bei mehreren sukzessiven Schenkungen nur die konkrete, die Anteilsvereinigung auslösende Schenkung die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG ermöglicht, tritt im Übrigen Grunderwerbsteuerpflicht unvermeidbar ein.

Nur bei Personengesellschaften greifen die personenbezogenen Befreiungsvorschriften.[59]

Bei der erstmaligen Anteilsvereinigung (Nr. 1, 2) unter Beteiligung einer Kapitalgesellschaft wirkt sich bereits bei teilentgeltlichen Rechtsgeschäften für die Nachfolgeplanung sehr negativ aus, dass die persönlichen Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 4 und Nr. 6 GrEStG hier nicht greifen.[60] Anders ist es bei der Übertragung bereits vereinigter Anteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 34 GrEStG;[61] jedoch ist § 1 Abs. 2b GrEStG ohne Verwandtschaftsprivileg dann vorrangig, wenn anwendbar aufgrund Tatbestandsverwirklichung nach aufgrund von der Finanzverwaltung unterstellter Spezialität. Durch § 1 Abs. 2b ErbStG ist seit 1.7.2021 also auch dieser Weg versperrt.

Bis 30.6.2021 durften bereits keine vereinigten Anteile unter der prozentualen Grenze der Anteilsvereinigung übertragen werden, sonst konnte, ggf. bei einer späteren Übertragung, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nochmals eingreifen.[62]

[59] GLE v. 19.9.2018, BStBl I 2018, 1069, Bsp. 3, i.V.m. u.a. BFH v. 26.2.2003 – II B 202/01, BStBl II 2003, 528; Meßbacher-Hönsch, in: Viskorf, GrEStG, 20. Aufl. 2021, § 1 Rn 1042.
[60] BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl II 2012, 793; FG Düsseldorf v. 21.8.2017 – 7 K 471/17, EFG 2017, 1748; GLE v. 19.9.2018, BStBl I 2018, 1029, Tz. 1, Bsp. 2 a.E.; vgl. auch Weilbach, GrEStG, Stand 2022, § 3 Rn 16.
[61] BFH v. 23.5.2012 – II R 21/10, BStBl II 2012, 793; GLE v. 19.9.2018, BStBl I 2018, 1069, Tz. 1, Bsp. 1, Tz. 2, Bsp. 2; Meßbacher-Hönsch, in: Viskorf, GrEStG, 20. Aufl. 2022, § 1 Rn 1038; Behrens, in: Behrens/Wachter, GrEStG, 2. Aufl. 2022, § 1 Rn 791.
[62] GLE v. 19.9.2018, BStBl I 2018, 1069, Tz. 1, Bsp. 3; vgl. Gottwald, Anm. zu BFH v. 23.5.2012, ZEV 2012, 199, Bsp. 1, Abwandlung.

d. Abgrenzung zur Übertragung von mehr als 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft (§ 1 Abs. 2 GrEStG)

Wie die Anteilsvereinigung soll auch die Steuerbarkeit der Übertragung von mehr als 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft, also jedweder grundbesitzenden Gesellschaft, Steuerpflicht auslösen.

Auch hier ist zu sehen, dass insbesondere bei dem zum 1.7.2021 neu eingeführten Tatbestand für Anteile an Kapitalgesellschaften nach § 1 Abs. 2b GrEStG vielfach Befreiungen nicht gelten. Z.B. werden die personengebundenen Befreiungen u.a. nach § 3 Nr. 6 GrEStG nicht angewendet. Das gilt auch dann, wenn es nicht um den Übergang einer Gesellschaft handelt. Betroffen sind überraschenderweise auch für Fälle, in denen z.B. der Anteil einer bloßen Kapitalgesellschaft ausschließlich Steuerobjekt der Übertragung zwischen zwei natürlichen Personen (etwa Elternteil und Kind, also in gerade...

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