Bei Unverzinslichkeit eines Geldvermächtnisses bis zur hinausgeschobenen Fälligkeit (betr. Zweckvermächtnis) können ertragsteuerliche Probleme auftreten:

Die Gestattung der herausgeschobenen Zahlung soll eine Art Kreditgewährung darstellen, sodass der zur Auszahlung gelangende Vermächtnisbetrag in einen ertragsteuerlich unbeachtlichen Kapitalanteil und in ein einkommensteuerliches Entgelt für die Überlassung der Kapitalnutzung aufzuteilen sein soll.[30]

Der Zinsanspruch wird erst im Zeitpunkt des Todes des Längstlebenden der Eheleute mit der hinausgeschobenen Zuwendung fällig. Dann erst tritt der einkommensteuerliche Zufluss beim Begünstigten ein, bei angeordneter Verzinslichkeit entsprechend dem festgesetzten Zinssatz,[31] ansonsten bei Unverzinslichkeit entsprechend einer Aufteilung des Vermächtnisses mit entsprechender Anwendung des § 12 Abs. 3 BewG[32] unter Ansatz fiktiver – aber eben einkommensteuerpflichtiger – Zinsen.

Zu der Aufteilung bei Unverzinslichkeit des Vermächtnisses wird darauf hingewiesen, dass dem Ansatz der steuerpflichtigen fiktiven Zinsen durch den Gläubiger (Schlusserbe) ein Abzug fiktiver Zinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten beim Schuldner (Längstlebender) entsprechen müsste.[33] Allerdings ist die Vermögenssphäre betroffen. Wenn bei verzinslicher Ausgestaltung des Vermächtnisses im Einzelfall ein Abfluss von Zinsaufwand beim Schuldner der Verbindlichkeit zu bejahen ist, dann gilt dies zum Zeitpunkt des Erhalts bzw. der Leistung der Zahlung. Nicht relevant ist der Zeitraum, auf den die Einnahmen oder Ausgaben wirtschaftlich entfallen.[34]

Aus der Rechtsprechung zu sachlich naheliegenden Bereichen des EStG sollten die teilweise unterschiedlich entschiedenen Fälle zur Zahlung der Abfindung für einen Pflichtteilsverzicht als lebenslängliche Rente[35] und zu testamentarisch vorgegebenen Zinsen eines auf fünf Jahre in seiner Auszahlung hinausgeschobenen Vermächtnisses[36] gesehen werden. Überdies kennt gerade die Einkommensteuer – anders als die zivilrechtlich geprägte und als Verkehrsteuer einzustufende Erbschaftsteuer – eine weitgehende Anwendung der Vorschriften über die wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 39 Abs. 2 AO[37]). Die zivilrechtliche Formulierung wird deswegen nicht immer zwingend das Endergebnis der ertragsteuerlichen Qualifikation bestimmen.

[30] Vgl. dazu auch Everts, ZErb 2004, 373, 376; Brüggemann, ErbBStg. 2020, 228, 230.
[31] Vgl. Mayer, ZEV 1998, 50, 55 f.; ders., DStR 2004, 1412, zur Niedrigverzinsung des Vermächtnisanspruchs.
[32] Vgl. M. Tanck, in: Mayer u.a., Handbuch des Pflichtteilsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 480; J. Mayer, in: Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2001, S. 320, u. ZEV 1998, 50, 55, u. DStR 2004, 1375 f., für die Aufteilung bei formeller Unverzinslichkeit unter Berufung auf BFH v. 26.6.1996, BFH/NV 1997, 175, zur unverzinslichen Ausgleichsforderung aufgrund testamentarischer Anordnung.
[33] Vgl. Anm. zu BFH v. 26.6.1996 – VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175, von Wohlschlegel (= Daragan), ZEV 1997, 86, 87.
[34] Martini, in: Blümich/Falk, EStG, Stand 2021, § 11 Rn 33: auch kein Fall des § 11 Abs. 2 S. 3 EStG.
[36] BFH v. 6.8.2019 VIII R 22/17, BStBl II 2020, 92; anders zuvor Keim, ZEV 2016, 6, 13, über eine Verdrängung der ESt durch die ErbSt.
[37] Dazu Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 40. Aufl. 2021, § 2 Rn 38; zum wirtschaftlichen Eigentum auch Klein/Ratschow, AO, 14. Aufl. 2018, § 39 Rn 15 ff., Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 2021, § 39 AO Rn 21 ff.

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