I.

Die Parteien sind je zu ½ die alleinigen Erben ihrer am 29.12.2015 verstorbenen Mutter […] (Erblasserin). In deren von dem Notar S. beurkundeten Testament vom 21.4.2015 (Anl. K 1 = Bl. 8 d.A.) hatte diese die Parteien zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt und zudem unter Ziffer III. in einem Vorausvermächtnis verfügt:

"Mein Hausgrundstück (Mehrfamilienhaus) in Bremen, A.-straße, eingetragen im Grundbuch … , einschließlich darauf ruhender Belastungen erhält im Wege des Vorausvermächtnisses"

mein Sohn, Herr H.H.S.)

geboren …

wohnhaft …

Diese Vermächtnisanordnung erfolgt vor dem Hintergrund, dass meine Tochter bereits zu Lebzeiten das Hausgrundstück (Einfamilienhaus) W.-Straße, Bremen, … lastenfrei erhalten hat.“

Das erwähnte Haus in der W -Str., das von der stark sehbehinderten Erblasserin über lange Jahre mit ihrem 2012 verstorbenen Lebenspartner bewohnt worden war, hatte die Beklagte im Jahre 2013 zu einem Kaufpreis von 160.000,00 EUR erworben. Finanziert wurde der Kaufpreis durch ein von der Erblasserin bei der X-Bank in Bremen aufgenommenes Darlehen mit einer Valuta von 170.000,00 EUR, welches die Erblasserin bediente, die auch die Nebenkosten des Erwerbs übernahm. In diesem Zusammenhang gewährte die Beklagte der Erblasserin ein Wohnrecht, welches diese bis zu ihrem Tode auch in Anspruch nahm. Besichert wurde das Darlehen über eine Buchgrundschuld mit einem Betrag von 170.000,00 EUR, die an dem Objekt A.-str. 121 eingetragen wurde (Abt. III lfd. Nr. 14). Nach dem Tode der Erblasserin übertrug die Beklagte dem Kläger in Erfüllung des Vorausvermächtnisses das Eigentum an dem Grundstück A.- str.; der Wert des Grundstücks wurde dabei mit 280.000,00 EUR angegeben (vgl. Anl. B 1 = Bl. 45 ff. d.A.). Der Kläger löste die Grundschuld durch Zahlung von insgesamt 184.471,19 EUR ab. Ausweislich eines vom Kläger vorgelegten Nachlassverzeichnisses belief sich der Aktivnachlass (unter Einbeziehung einer zwischen den Parteien strittigen Darlehnsforderung auf 20.123,65 EUR und der Passivnachlass (unter Einbeziehung der Darlehnsschuld gegenüber der X-Bank) auf 175.614,67 EUR (vgl. Anl. K 2 = Bl. 11 d.A.).

Der Kläger hat die Beklagte als Miterbin auf Zahlung der Hälfte des Darlehnsbetrages (und – nur in erster Instanz – auf die Rückzahlung eines ihr angeblich gewährten Darlehns) in Anspruch genommen. Die Beklagte hat mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 19.8.2019 (Anlage B 4 = BI. 178 f. d.A.) gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht die Anfechtung der Annahme der Erbschaft nach ihrer Mutter sowie deren Ausschlagung wegen Irrtums mit der Begründung erklärt, dass sie im Hinblick auf den Verlauf des Rechtsstreits davon ausgehen müsse, dass der Nachlass überschuldet sei, was sie bei Annahme der Erbschaft nicht gewusst habe.

Der Kläger hat vorgetragen, die Erblasserin habe nicht gewollt, dass mit dem Eigentum am belasteten Vermächtnisgrundstück auch die durch die Grundschuld besicherte persönliche Darlehnsschuld im Verhältnis zur Erbengemeinschaft auf ihn habe übergehen sollen. Das Vermächtnis habe ein Ausgleich dafür sein sollen, dass die Beklagte bereits das Hausgrundstück in der W -Straße lastenfrei erhalten habe. Diese Anordnung habe dabei unter der Maxime der Erblasserin gestanden, beide Parteien gleichmäßig zu bedenken. Da die beiden Grundstücke jeweils in etwa den gleichen Wert hätten, sei folgerichtig der Begriff "darauf beruhender Belastungen" dahingehend zu verstehen, dass er, der Kläger, wie schon die Beklagte, das Grundstück A-straße lastenfrei von persönlichen Schulden habe erwerben sollen, diese also von beiden Parteien zu gleichen Teilen hätten getragen werden sollen. Die Anfechtung hat der Kläger für unbegründet und verfristet gehalten.

Der Kläger hat – soweit für die Berufung von Bedeutung – erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, EUR 92.235,59 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf EUR 6.492,93 seit Rechtshängigkeit der Klage vom 12.10.2017 und übrigen seit Rechtshängigkeit der Klage vom 4.12.2018 sowie die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, vorgerichtlich entstandene Kosten von EUR 2.554,93 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe mit dem Erwerb des vermachten Grundstücks nicht nur die dingliche Last, sondern auch die durch sie besicherte Schuld übernommen; jedenfalls aber die Verpflichtung, sie von dieser Schuld zu befreien. Dies ergebe der klare Wortlaut der Regelung. Sollte man aber das Testament in diesem Punkte für unklar halten, so ergebe sich die "Übernahme" der persönlichen Schuld jedenfalls aus der "Zweifelsfall"-Regelung der §§ 1192, 2166 Abs. 1 BGB. Es werde bestritten, dass die Erblasserin die persönliche Schuld nicht mit dem Vermächtnisgrundstück und der darauf ruhenden dinglichen Last auf den Kläger habe übergehen lassen wollen. Zutreffend sei zwar, dass es der Erblasserin darauf angekommen sei, die Parteien gleichmäßig zu bedenken. Dies erford...

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