Dem Pflichtteilsrecht liegt ein generalisierter Solidargedanke zugrunde, wonach sich typischerweise die einzelnen Familienmitglieder einander verbunden fühlen, füreinander sorgen und einander beistehen. Zwischen den Verwandten besteht ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen familienrechtlichen Pflichten. Die Pflichtteilsentziehungsgründe müssen daher Pflichtverstöße aufgreifen, bei deren Vorliegen die Vermutung einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen Erblasser und dem Familienmitglied entfällt. Mit diesem Befund lässt sich grundsätzlich in Einklang bringen, dass der Gesetzgeber sich auf wenige schwerwiegende Sachverhalte beschränkt hat. Nach diesem Verständnis finden die Entziehungsgründe ihre Rechtfertigung aber nicht in einem Verwirkungs- oder Strafgedanken, wie derzeit überwiegend angenommen wird.[5]

[5] So etwa bei J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2003, § 10 Rn 10. Vgl. ferner BGHZ 76, 109, 118, der den "Erziehungsgedanken" betont, was aber fehlgeht, da der Pflichtteilsberechtigte von der Entziehung erst nach dem Erbfall erfährt und daher nicht "zur Umkehr" bewogen werden kann. Gegen einen Strafcharakter der Entziehungsgründe schon Fabricius FamRZ 1965, 462.

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