Leitsatz

1. Ein Antrag auf Wertermittlung einer lebzeitig veräußerten Immobilie im Rahmen einer Pflichtteilsstufenklage ist mangels hinreichender Bestimmtheit i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, wenn er keine Angabe enthält, zu welchem Stichtag die Wertermittlung begehrt wird.

2. Über die Stufenklage ist durch Endurteil und nicht durch Teilurteil zu entscheiden, wenn dem Anspruch auf Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gem. § 2325 Abs. 1 BGB mangels schlüssiger und substantiiert Darlegung, dass eine (gemischte) Schenkung der Immobilie vorlag, die materiell-rechtliche Grundlage fehlt.

3. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gem. § 286 Abs. 1 BGB besteht nicht, wenn sich der Schuldner zum Zeitpunkt des anwaltlichen Schreibens, in welchem dieser zur Auszahlung des unstreitigen Pflichtteils auffordert, nicht in Verzug befand.

LG Stuttgart, Urt. v. 17.3.2023 – 7- O 448/21

1 Tatbestand

Die Kläger machen als leibliche Kinder des am 16.6.2020 verstorbenen (im Folgenden "der Erblasser") im Wege der Stufenklage einen Wertermittlungs- und Zahlungsanspruch gegen die Beklagte als Ehefrau des Erblassers geltend.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 27.9.2017 (Anlage K 7) verkauften der Erblasser und die Beklagte die in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum stehende Immobilie (im Folgenden "die Immobilie") an (im Folgenden "der Käufer") zum Preis von 250.000 EUR. Das Grundstück verfügte über eine Größe von 721 qm. Der Erblasser und die Beklagte tätigten den Verkauf der Immobilie bewusst im Hinblick auf spätere Streitigkeiten mit den Klägerinnen. Unter § 3 des Kaufvertrags erklärten die Beteiligten, dass es sich um einen vollentgeltlichen Verkauf unter fremden Dritten handelte. Der Erblasser und die Beklagte waren mit dem Käufer nicht verwandt oder befreundet. Unter § 5 des Kaufvertrags vereinbarten die Beteiligten:

Zitat

"Die Besitzübergabe hat spätestens am zu erfolgen, nicht jedoch vor vollständiger Kaufpreiszahlung."

Der Vertragsgegenstand ist (bis auf das Dachgeschoss) nicht vermietet oder verpachtet, sondern wird von den Verkäufern bewohnt, was auch künftig so bleiben soll.

Die Vertragsbeteiligten, der Verkäufer als Mieter und der Käufer in seiner Eigenschaft als künftiger Eigentümer und damit künftiger Vermieter, schließen ab Besitz-Übergabe auf unbestimmte Zeit einen Mietvertrag den Vertragsgegenstand. Die Beteiligten vereinbaren eine monatliche Miete von 850,00EUR, zuzüglich der umlagefähigen Nebenkosten. Diese Miete kann 10 Jahre lang nicht erhöht werden. Der Käufer/künftige Vermieter verzichtet für die Dauer von 10 Jahren auf sein Kündigungsrecht. Eine Kaution ist nicht geschuldet. Etwaige Ansprüche der Beteiligten wegen vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses bestehen nicht bzw. werden bereits jetzt ausgeschlossen.

Die Untervermietung der Räumlichkeiten im Dachgeschoss ist den Hauptmietern gestattet, allerdings gebunden an das Mietverhältnis der Eheleute, Sollte das Mietverhältnis seitens der Eheleute vorzeitig aufgelöst werden (eine Kündigung ist jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten möglich), ist das Recht zur Untervermietung ebenfalls erloschen und die Dachgeschossebene zu räumen.“

Einen entsprechenden Mietvertrag hatten die Beteiligten des Kaufvertrages bereits am 14.9.2017 geschlossenen (Anlage H 1). Der Erblasser und die Beklagte waren mit Ausnahme von Schönheits- und Kleinreparaturen von Instandhaltungskosten befreit. Mit Testament vom 10.4.2018 setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin ein.

Nach dem Tod des Erblassers am16.6.2020 forderten die Klägerinnen die Beklagte mit Schrei- ben vom 1.2.2021 (Anlage K 1) auf, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen, Auskunft über alle Schenkungen an Dritte innerhalb der letzten zehn Jahre zu erteilen und den sich daraus ergebenden Pflichtteil an sie auszubezahlen.

Mit Schreiben vom 26.3.2021 (Anlage K 2) teilte die Beklagte den Verkauf und die Anmietung der Immobilie im Jahr 2017 mit und übersandte ein Nachlassverzeichnis. Mit Schreiben vom 30.4.2021 (Anlage K 3) reichte die Beklagte ein ergänztes Nachlassverzeichnis nach und berechnete den Pflichtteil der Klägerinnen auf jeweils 31.689,82 EUR. Mit Schreiben vom 4.5.2021 und 16.5.2021 (Anlage K 4) forderten die Klägerinnen die Beklagte auf, den von ihr bezifferten Pflichtteilsanspruch als Mindestbetrag an sie auszuzahlen und den Marktwert der Immobilie zum Zeitpunkt des Verkaufs auf Basis einer Sachverständigenwertermittlung mitzuteilen. Mit Schreiben vom 15.5.2021 und 23.5.2021 (Anlage K 5) teilte die Beklagte den Klägerinnen mit, dass sie die Auszahlung des bezifferten Pflichtteils i.H.v. 31.689,82 EUR davon abhängig mache, dass die Klägerinnen ihr jeweils eine Bestätigung über die Erledigung der Angelegenheit überließen. Mit Schreiben vom 23.5.2021 lehnte die Beklagte die Erstellung eines Wertgutachtens ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.6.2021 (Anlage K 6) forderten die Klägerinnen die Beklagten nochmals auf, ein Wertgutachten vorzulegen und den unstreitigen Pflichtteil aus...

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