§ 1922 BGB ist eindeutig: Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über; nur höchstpersönliche Rechtspositionen gehen nicht über.[6] Das ist zwingendes Recht, nicht durch Vereinbarung oder Testament[7] bzw Erbvertrag abänderbar. Zum "Vermögen" in diesem Sinn zählen alle vererblichen Werte, auch Vertragsbeziehungen und Verbindlichkeiten (vgl. § 1967 BGB).[8] Die Weiterleitung des Nachlasses an mehrere Miterben kann ausschließlich und zwingend nur mittels einer Erbengemeinschaft als einer Gesamthandsgemeinschaft erfolgen;[9] eine Sondererbfolge (Singularsukzession) kann nur ausnahmsweise zum Zug kommen.[10] Wenn kein Erbschein benötigt wird, weil nur bewegliche Habe (Möbel, Bilder, Sammlungen usw) auf mehrere Erben zu verteilen sind, die Erben sich einig sind und verteilen, gibt es keine rechtlichen Probleme: Die Erben ahnen nicht, was rechtlich vorgeht. Wenn Bankguthaben gemäß der Teilungsanordnung des Erblassers zu verteilen sind und keine Vollmacht des Erblassers mit Geltung über den Tod hinaus vorliegt, verlangen die Banken[11] einen Erbschein und dann eine schriftliche Auseinandersetzungserklärung der Miterben, die sich mit dem Ausweis legitimieren müssen. Nur wenn Grundstücke zum Nachlass gehören, brauchen die Erben immer einen Erbschein (§ 35 Abs. 1 GBO; Sonderfall § 35 Abs. 3 GBO).

Es ist ein Dogma, dass in einem deutschen Erbschein wegen § 1922 BGB keine Einzelgegenstände aufgeführt werden dürfen. Vereinzelt wurde versucht, durch spitzfindige Auslegung von § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung auf bestimmte Gegenstände zu begründen.[12] Die Bayerische Nachlassordnung vom 20.3.1903[13] schrieb allerdings in § 55 Abs. 2 BayNachlO: "Die Erteilung des Erbscheins kann mit Beschränkung auf bestimmte Nachlassgegenstände, z.B. nur in Ansehung eines Grundstücks, beantragt werden."[14]

Ob das auch für ein von einem deutschen Nachlassgericht ausgestellte ENZ bezüglich ausländischer Gegenstände, z.B. Grundstücke im Ausland, gilt, ist zweifelhaft. Wenn das deutsche Nachlassgericht für sich in Anspruch nimmt, etwas zu produzieren, nämlich ein ENZ, was laut Art. 69 EuErbVO auch im Europäischen Ausland gelten soll, muss es jedenfalls nach Möglichkeit auch ausländische Bedürfnisse und Anforderungen, etwa bei der Vererbung von dort gelegenen Grundstücken, berücksichtigen.

[6] Hahn, ZEV 2016, 360.
[7] Muscheler, Erbrecht I, Rn 847.
[8] MüKo-BGB/Leipold, § 1922 Rn 16; Muscheler, Erbrecht I, Rn 755. Bei Inkrafttreten des BGB war streitig, ob auch Verbindlichkeiten übergehen, vgl. die Nachweise bei Planck, ErbR, 3. Aufl. 1908, § 1922 Anm. 2.
[10] Allgemeine Auffassung, Otte, NJW 1987, 3164; a.A. Schrader, NJW 1987,117.
[11] Trotz BGH NJW 2016, 2409, wonach ein privatschriftliches Testament genügen kann.
[12] Dazu Otte, NJW 1987, 3164, Muscheler, Erbrecht I, Rn 770.
[13] Aufgehoben durch Bay. Bekanntmachung vom 3.7.1981.
[14] In der Kommentierung von Haberstumpf/Barthelmess zum Nachlassgesetz, 2. Aufl. 1906, § 55 Anm. 2, wird darauf hinwiesen, dass das umstritten sei.

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