Als erstes stellt sich Frage, in welchen Situationen ein Erbenaufgebot überhaupt in Betracht kommt. Dies lässt sich besten an einem Beispiel verdeutlichen.

 

Beispiel 1:

Die Tante 2. Grades des Mandanten ist verstorben ohne Abkömmlinge und ohne Testament. Der Nachlass beläuft sich auf 1 Mio. EUR. Der Mandant kommt als gesetzlicher Erbe bzw. Miterbe zu ½ in Betracht. Es gab jedoch noch eine weitere Großtante die, der Sage nach, nach Australien oder USA ausgewandert sein soll. Das weitere Schicksal der Großtante und insbesondere, ob diese Abkömmlinge hat, ist unbekannt.

Dem Mandanten stehen grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Verfügung. Zur Wahl stehen das Todeserklärungsverfahren nach § 16 Abs. 2c VerschG (Verschollenheitsgesetz), die Beantragung eines Mindest- oder Teilerbscheins nach § 352a FamFG oder ein Erbenaufgebot nach § 352b FamFG.

Das Todeserklärungsverfahren nach dem Verschollenheitsgesetz kann begründet sein, wenn gem. § 1 VerschG der Aufenthalt einer Person während längerer Zeit unbekannt ist, ohne dass Nachrichten darüber vorliegen, ob diese Person in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist. Es müssen also dadurch ernsthafte Zweifel an deren Fortleben begründet sein.[3] Eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz ist jedoch nicht möglich, wenn der Tod der Person nicht zweifelhaft ist. Die Person gilt dann nicht als verschollen, sondern schon als tot.

Es ist zulässig, eine verschollene Person nach § 3 VerschG für tot erklären zu lassen, wenn das letzte Lebenszeichen länger als zehn Jahre zurückliegt bzw. länger als fünf Jahre, wenn die verschollene Person zur Zeit der Todeserklärung das 80. Lebensjahr vollendet haben müsste. Eine Todeserklärung für verschollene Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, darf nicht erfolgen. Gem. § 4 ff. VerschG sind Todeserklärungen in bestimmten Fällen aber auch früher zulässig. Beispielsweise wenn die Person im Krieg verschollen ist, ein Jahr, bei einem Schiffsuntergang sechs Monate, bei einem Flugzeugabsturz drei Monate und bei konkreter Lebensgefahr ein Jahr. Für die konkrete Lebensgefahr wäre ein aktuelles Beispiel gegeben, soweit eine Person während des Vulkanausbruchs auf La Palma vom 19.9.2021 bis zum 13.12.2021 verschollen wäre. Für das Todeserklärungsverfahren nach dem Verschollenheitsgesetzes ist gem. § 12 VerschG das AG sachlich zuständig und örtlich, soweit die verschollene Person deutsch war, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Amtsgerichtsbezirk hatte oder diesbezüglich ein berechtigtes Interesse besteht.

Die Kosten für das Todeserklärungsverfahren fallen dem Nachlass zur Last nach § 30 VerschG, es sei denn, es wird eine andere Kostenverteilung durch das Gericht festgelegt.

Aktuell ist ein Todeserklärungsverfahren aus der Boulevardpresse[4] bekannt, nämlich die Todeserklärung für den ehemaligen Deutschland sucht den Superstar (DSDS) Sänger Daniel Kübelberg, der Anfang September 2018 vor Kanada von einem Kreuzfahrtschiff verschwunden ist. Der Antrag für das Todeserklärungsverfahren wurde bei dem AG Passau Mitte August 2020 gestellt mit Fristende zum 30.9.2020.

In unserem Beispielsfall 1, in dem das Schicksal der vermutlich nach Australien oder USA ausgewanderten Großtante gar nicht bekannt ist und auch keine Erkenntnisse vorliegen, ob sie auf einer Schiffsreise oder Flugreise verschollen ist oder in risikobelastete Geschehnisse verwickelt war, hilft das Todeserklärungsverfahren nicht weiter. Es fehlt an ausreichenden Anhaltspunkten für das Verfahren. Soweit die Großtante ein bestimmtes Alter erreicht hätte, das über die höchste menschliche Lebenserwartung hinausginge, wäre zudem ihr Ableben nicht zweifelhaft. Für den Fortgang der Nachlasssache fehlen zudem immer noch Informationen hinsichtlich möglicher Abkömmlinge der Großtante.

Als weitere Möglichkeit ergibt sich die Beantragung eines Mindest- oder Teilerbscheins[5] nach § 352a FamFG, damit der Mandant zumindest einen Teil des Erbes antreten kann. Grundsätzlich kann jeder Miterbe einen gemeinschaftlichen Erbschein für alle Erben beantragen. Hier ist jedoch die Kostenlast nach § 22 Abs.1 GNotKG zu beachten. Nach einer neueren Entscheidung des BGH hat der antragstellende Miterbe grundsätzlich keinen Anspruch gegen die anderen Miterben auf Erstattung der Kosten für den gemeinschaftlichen Erbschein.[6] Auch aus diesem Grund dürfte es in einigen Fällen sinnvoller sein, lediglich einen Teilerbschein auf die eigene Erbquote am Nachlass zu beantragen.[7]

Etwas weiter gefasst ist ein gemeinschaftlicher Teilerbschaftsschein für eine bestimmte Erbengruppe, z.B. für einen Erbenstamm, während hinsichtlich der anderen Stämme noch Unklarheit besteht. Zurückgehend auf unser Ausgangsbeispiel 1 mit der Abwandlung, dass der Mandant noch eine Schwester hätte, wäre die Beantragung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins für diese Seite der Familie als Familienstamm, bestehend aus Bruder und Schwester, möglich. Antragsberechtigt für den Teilerbschein ist jeder Miterbe, aber auch Personen wie Tes...

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