Gem. § 153 Abs. 1 S. 2 AO sind Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers (§ 1922 Abs. 1 BGB) zur Anzeige- und Berichtigung unrichtiger Steuererklärungen des Erblassers verpflichtet, sofern die Unrichtigkeit vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkannt wird.[32] Die Anzeige- und Berichtigungspflicht soll bei Erbengemeinschaften auch die Erben treffen, die keine Kenntnis von der Unrichtigkeit der Steuererklärungen haben. Solche Fälle sind denkbar, in denen ein Erbe die anderen Erben nicht über die Berichtigungspflicht informiert, jedoch positive Kenntnis über die Steuerverkürzung durch unrichtige Einkommensteuererklärungen des Erblassers hat.[33]

Die Informationen, welche die Erben im Rahmen der Auskunftsbegehren erhalten, können freilich in unterschiedlicher Form auf unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen des Erblassers schließen lassen; zumal durch den Wegzug des Erblassers in die Schweiz je nach Einkunftsart nur die beschränkte Einkommensteuerpflicht in Deutschland aufrecht erhalten bleiben sollte, das heißt schweizerische Einkünfte in der Einkommensteuererklärung ab dem Zeitpunkt des Wegzugs ohnehin nicht anzugeben wären. Bis zur Aufgabe des deutschen Wohnsitzes kommen indes folgende Anknüpfungspunkte für eine Steuerverkürzung in Deutschland in Betracht.

[32] Der ständigen Rspr. des BFH zufolge erben die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers gem. § 1922 Abs. 1 BGB dessen Steuerschulden. Sie haften gem. § 1967 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten, zu denen auch die Steuerschulden gehören (§ 45 Abs. 1 S. 1 AO). Zuletzt bestätigt von BFH, Urt. v. 29.8.2017 – Az. VIII R 32/15, DStR 2018, 297.
[33] Spatscheck/Spilker, DStR 2018, 1800, 1802.

a) Einkommensteuerverkürzung bei fehlender Angabe schweizerischer Einkünfte

Der Taterfolg der Steuerhinterziehung setzt die Steuerverkürzung oder die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile (§ 370 Abs. 1 AO) voraus. Lassen die von den Erben erhaltenen Informationen auf bislang nicht ermittelte Steueransprüche des deutschen Fiskus schließen, sollte eine Anzeige und Berichtigung deutscher Steuererklärungen des Erblassers erfolgen. Andernfalls setzen sich die Erben in Deutschland dem Strafbarkeitsrisiko wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO).[34]

aa) Einkünfte aus Kapitalvermögen – insb. Dividenden und Zinsen

Bei Dividendenausschüttungen an in Deutschland wohnhafte Anteilseigner ist grundsätzlich Deutschland als Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht zugewiesen (Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz), wenn die ausschüttende Gesellschaft in der Schweiz ansässig ist.[35] Dieselbe Besteuerungsfolge gilt bei Zinszahlungen aus der Schweiz an den in Deutschland wohnhaften Zahlungsempfänger (Art. 11 Abs. 1 DBA-Schweiz).[36]

Bis 1.1.2017 erfolgte die Zinsbesteuerung im deutsch-schweizerischen Verhältnis per anonymen Quellensteuer-Einbehalt in der Schweiz in Höhe von 35 %. Die Schweiz hatte sich gegenüber den EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Zinsrichtlinie 2003/48/EG verpflichtet, jene Regelungen zur Zinsbesteuerung anzuerkennen. Das sog. Zinsbesteuerungsabkommen trat am 1.7.2005 in Kraft. Der Quellensteuersatz betrug ab 1.7.2011 35 %.[37] In Deutschland wurde die Zinsrichtlinie aufgrund der sog. Zinsinformationsverordnung (ZIV) umgesetzt. Für die in der Schweiz erhobene Quellensteuer galt – unter Ausschluss der DBA-Anrechnungsvorschriften –, dass die Steueranrechnung im Festsetzungsverfahren aufgrund gesonderter Anrechnungsverfügung zu erfolgen hat (Art. 14 Abs. 2 ZIV).[38]

Am 1.1.2017 trat jedoch das zwischen der Schweiz und der EU unterzeichnete Abkommen über den automatischen Informati-onsaustausch über Finanzkonten zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten (sog. AIA-Abkommen) in Kraft, welches das seit 2005 bestehende Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU ersetzen soll. Das Abkommen ermöglicht den Austausch von seit dem 1.1.2018 erhobenen Finanzkonto-Informationen. Ein erstmaliger Austausch ist seitens der Schweiz für den Herbst 2019 geplant.[39]

[35] Hamminger, in: Wassermeyer, DBA, Art. 10 DBA-Schweiz, Rn 2 f (Stand: 142. EL Juli 2018; Dokumentenstand: 121. EL Jan. 2013).
[36] Zwosta, in: Wassermeyer, DBA, Art. 11 DBA-Schweiz, Rn 1 ff (Stand: 142. EL Juli 2018; Dokumentenstand: 92. EL Jan. 2004).
[37] Kolb, in: Mennel/Förster, Schweiz, Rn 263.
[38] BMF-Schreiben v. 22.12.2009, BStBl. 2010 S. 3, Rn 148.
[39] Kolb, in: Mennel/Förster, Schweiz, Rn 264 a. Konkret sind aktuelle Informationen zum AIA auf der Webseite der Eidgenössischen Steuerverwaltung zu finden: www.efd.admin.ch unter "Wirtschaft, Währung, Finanzplatz – Finanzpolitik".

bb) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Bei in der Schweiz belegenen Immobilien eines in Deutschland wohnhaften Erblassers ist mit Blick auf eine mutmaßliche Steuerverkürzung in Deutschland zu differenzieren:

Gem. Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz werden Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in dem Vertragsstaat besteuert, in dem das Vermögen liegt. Aufgrund des Wohnsitzes des Erblassers in Deutschland (§ 8 AO) war jener mit seinem Welteinkommen in Deutschland steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG); die Doppelbeste...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge