I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer klägerseits behaupteten notariellen Amtspflichtverletzung des Beklagten, der bis zum 31.3.2022 Notar mit dem Amtssitz in D (Westfalen) war.

Die Klägerin ist Tochter und aufgrund eines notariellen Testaments vom 14.12.2005 (Bl. 8-10 LG-Akte), vom Beklagten unter der Urk.-Nr. 004/2005 beurkundet, Hofes- und Alleinerbin des am 0.0.1947 geborenen und am 0.0.2020 verstorbenen Landwirts E (im Folgenden: Erblasser). Im Testament wurde durch den Erblasser der Wert des Vermögens für die Kostenberechnung mit 330.000 EUR angegeben.

Der verwitwete Erblasser war bis zu seinem Tod Eigentümer des im Grundbuch von G 01 eingetragenen landwirtschaftlichen Grundbesitzes in F, bei dem es sich um einen Hof i.S.d. Höfeordnung handelt.

Unter der Urkunden Nr. #8/2006 beurkundete der Beklagte am 6.2.2006 eine zwischen dem Erblasser (als Beteiligten zu 1) und dessen Töchtern, der Klägerin (als Erschienene zu 3) und Frau A (als Erschienene zu 2) als Pflichtteilsverzichtsvertrag bezeichnete Vereinbarung (Bl. 14-18 LG-Akte). Diese enthielt (u.a.) folgende Regelungen:

Zitat

"§ 1"

Die Erschienene zu 2. verzichtet gegenüber dem Beteiligten zu 1. für sich und ihre Abkömmlinge […] auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht und ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche.

Der Beteiligte zu 1. nimmt diesen Verzicht an. […]

§ 4

[…] 1.

Die Erschienene zu 2. erklärt sich hinsichtlich des hier bezeichneten Hofes für abgefunden und verzichtet endgültig und unwiderruflich auf die Geltendmachung weitergehender Abfindungsansprüche gemäß § 12 der Höfeordnung aus Anlass der notariellen Erbeinsetzung meiner Schwester M.

[…] 2.

Zum Zwecke der Abfindung für die hofes- und hofesfreien Ansprüche verpflichtet sich die Erschienene zu 3. an die Erschienene zu 2. einen Betrag in Höhe von 30.000,00 EURO – i.W. dreißigtausend EURO – zu zahlen.

[…]

Ich, die Erschienene zu 2. erkläre mich damit einverstanden, dass dieser Betrag für meinen etwaigen Nachabfindungsanspruch gemäß § 13 HöfeO anzurechnen ist.

3.

Der vorbezeichnete Verzicht erstreckt sich unter der nachfolgenden Maßgabe auch auf Ergänzungsabfindungsansprüche gemäß § 13 Höfeordnung, über dessen Inhalt ich ausführlich belehrt wurde. Sollte der potentielle Hofesübernehmer innerhalb der Frist des § 13 Höfeordnung -somit nach Übertragung des Betriebes, sei es durch tatsächlichen Erbfall oder vorweggenommene Erbfolge- Handlungen vornehmen, die Ergänzungsabfindungsansprüche, heute oder zu- künftig, auszulösen imstande sind, insbesondere den Hof oder einzelne Grund- stücke, Liefer-, wie Brennrechte oder Anlieferungsreferenzmengen Milch des Hofes verkaufen oder sonstige Verwertungsmaßnahmen im Sinne von § 13 Höfeordnung treffen, so verzichte ich auf die Geltendmachung von Abfindungsansprüchen gemäß § 13 Höfeordnung, sofern der hiermit erzielte Erlös innerhalb von fünf Jahren in beliebige Wirtschaftsgüter des landwirtschaftlichen Betriebes reinvestiert wird. Auf einen gleichwertigen Erwerb von Ersatzland kommt es dabei nicht an; hierdurch soll dem Hofesübemehmer ermöglicht werden, den Hof aus etwaigen Erlösen zu vergrößern. […]

4.

Der vorbezeichnete Verzicht richtet sich an die Beteiligten zu 1. und 3. 5.

Die Beteiligten zu 1. und 3. erklären hiermit jeder für sich die Annahme vorstehender Verzichtserklärung. Der Wert der Urkunde wird mit 30.000 EURO angegeben.

Der Notar wies darauf hin, dass zur Wirksamkeit des Verzichtsvertrages die notarielle Zustimmung des E erforderlich ist. Solange ist der Pflichtteilsverzichtsvertrag schwebend unwirksam. […]“

Zu der Beurkundung erschien der Erblasser nicht persönlich, sondern wurde durch eine Mitarbeiterin des Beklagten vollmachtlos vertreten.

Mit Erklärung vom 9.2.2006 (Bl. 86.C LG-Akte) genehmigte der Erblasser die von der vollmachtlosen Vertreterin abgegebenen Erklärungen. Die unter dieser Erklärung abgegebene Unterschrift wurde am selben Tage durch den Beklagten notariell beglaubigt (Urk.-Nr. 107/2006).

Der am 6.2.2006 vereinbarten Betrag von 30.000 EUR wurde im Laufe des Jahres 2006 an die Schwester der Klägerin gezahlt.

Nach dem Tod des Erblassers trat die Schwester der Klägerin an diese heran und ließ sie mit anwaltlichem Schreiben vom 27.4.2021 (Bl. 19 f. LG-Akte) – unter Hinweis auf eine Unwirksamkeit des Pflichtteilsverzichtsvertrags – auffordern, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen.

Die Klägerin forderte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 27.5.2021 (Bl. 21 f. LG-Akte) den Beklagten unter Hinweis darauf, dass die Schwester nunmehr Pflichtteilsansprüche geltend mache, auf, zu erklären, dass er sie von sämtlichen Pflichtteilsansprüchen der Schwester freistellen werde.

Der Beklagte lehnte dies ab und erhebt gegen die geltend gemachten Ansprüche insbesondere die Einrede der Verjährung.

(…)

Das LG hat die dem Beklagten im Dezember 2021 zugestellte Klage mit dem am 16.9.2022 verkündetem Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin spätestens seit dem 10.2.2016 verjährt sei. Der streitgegenstän...

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