Und eine nachträgliche zivile Klage? Was kann die erbringen? Was genau muss die Pflegerin nachweisen? Und in welcher Form? Der Auskunftspflicht ist sie – nach eigenen Ausführungen – nach bestem Wissen nachgekommen; der Rest wird mit Nichtwissen bestritten. Es habe ja alles der Vater veranlasst. Dafür ist sie nicht haftbar zu machen. Wie soll die Tochter ihre Klage begründen? Welche Belege hat sie für ihre Behauptungen? Der früher bekundete Wille des Vaters? Dass eigentlich nichts so lief, wie er es wünschte?

Und noch etwas: Im geschilderten Fall lehnten sich die Beteiligten ziemlich "weit aus dem Fenster". Der Hausarzt, der überhaupt nicht mit der Tochter hätte reden dürfen, nachdem die Vollmacht widerrufen war. Das Gericht, welches die Tochter ebenfalls anhörte und Auskünfte gab, obwohl der Vater dies untersagte. Die Bank, die einer beruflichen Schweigepflicht unterlag und überhaupt keinen Grund hatte, sich so einzusetzen. Hätte der Nachbar früher etwas unternehmen sollen? Dem Gericht einen Hinweis geben?

Stellen wir uns einmal vor, er (oder die Tochter) hätten es getan. Der "normale" Gang wäre eine Anregung beim zuständigen Betreuungsgericht. Dieses beauftragt in aller Regel die Betreuungsbehörde und eine Mitarbeiterin besucht den alten Herren, um mit ihm über diese Anregung zu sprechen und sich ein Bild von ihm zu machen. Und man kommt ja nicht einfach ohne Ankündigung. Er könnte beim Arzt sein oder möchte eine vertraute Person dabeihaben. Was hätte sie also dann vorgefunden? Ich behaupte, Friedhelm hätte zufrieden und versorgt in seinem Zimmer gesessen, denn die Pflegerin hat ihn und sich gut vorbereitet. Und er hätte freundlich mit der Dame vom Amt gesprochen. Endlich einmal jemand zum Reden. Genauso gut könnte Friedhelm auch grummelig gewesen sein. Das ist der Behördenmitarbeiterin ohnehin geläufig und kommt häufiger vor. Denn diese Fremde da soll prüfen, "ob bei mir noch alle Uhren richtig ticken". Und wer sieht das ein. Außerdem geht es im Zweifel "um's Eingemachte": um die zukünftige Freiheit, den Lebensmittelpunkt, Fremde im Haus oder "ich im Heim".

Wenn nicht offensichtlich Zweifel am Wohl des betagten Herren augenscheinlich zutage treten, kann sie nur berichten, was auch die Pflegerin behaupten würde. Dass es Friedhelm so weit gut gehe, dass er Hilfe brauche, die aber vor Ort und jederzeit verfügbar sei, dass auch rechtlich keine Schwierigkeiten zu befürchten seien, denn eine Vollmacht liege vor. Sogar notariell beurkundet. Und ja, sie sei zwar keine Medizinerin, aber Friedhelm habe gewusst, wo er war, welcher Tag gewesen sei, wie die Tochter und die Pflegerin hießen, was er gestern gegessen habe.[11] Der Rest war für Friedhelm schwierig, aber das war zu erwarten gewesen. Laut der Pflegerin hätte Friedhelm ein beginnendes demenzielles Syndrom und sie sei darauf eingestellt. Und natürlich verlegt er immer wieder seine Sachen – zuletzt seine geliebte Rolex. Die habe sie trotz intensiver Suche nicht finden können. Und er wählte schon sehr merkwürdige Orte. Erst gestern hat sie eine Taschenlampe aus der Mikrowelle retten müssen. Und die Schlüssel der Wohnung legt er immer irgendwo hin und findet sie nicht wieder; und weil er aus Angst vor Einbrechern die Wohnung immer verschließt, kommt er dann nicht mehr aus der Wohnung. Er wird deshalb hin und wieder wütend und beschuldigte sie, die Pflegerin; aber sie kennt das, weiß, dass er dafür nichts mehr kann. Naja, der strenge Geruch ist kaum zu vermeiden. Ständig braucht er neue Windeln und reißt sich die benutzten einfach vom Leib. Sie komme kaum hinterher.

Was also berichtet die Mitarbeiterin dem Gericht? Vermutlich das, was meistens geschieht. Dass der alte Mann Hilfe braucht, möglicherweise auch einen rechtlichen Vertreter und dass es diesen bereits gäbe. Zweifel an der Lauterkeit – wie soll sie das prüfen?

Im schlimmsten Fall – und auch das geschieht – wird die Pflegerin noch als Betreuerin eingesetzt. Sie ist dann zwar rechenschaftspflichtig, aber woran wäre dieser Bericht zu prüfen? Wer gibt denn an, was Friedhelm besaß? Aber vermutlich hätte sie die Betreuung abgelehnt. Friedhelm macht nur noch Arbeit und Geld hat er keins mehr.

[11] Insb. solche Einschätzungen von Nichtfachleuten hinsichtlich freier Willensbildung führen dazu, dass Geschäftsfähigkeit nicht geprüft wird. Aber: "Dass die betroffene Person wusste, was sie gerade tut oder getan hat oder aus Sicht von Zuhörern ihren Willen klar zum Ausdruck gebracht hat, schließt die Geschäftsunfähigkeit gerade nicht aus" (Lang, BGB, 2017, § 104 Rn 3. In: Kurze, Vorsorgerecht. Vollmacht, Patientenverfügung, lebzeitige Verfügungen). (Unterstreichung durch die Autorin).

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