Das Nachlassgericht entscheidet über die Erteilung des Erbscheins durch Beschluss (§ 38 Abs. 1 S. 1 FamFG). Der Feststellungsbeschluss selbst wird formell rechtskräftig, wenn die Frist für die Erhebung der Beschwerde abgelaufen ist (§ 45 S. 1 FamFG).[25] Diese beträgt auch für eine Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Rechtspflegers einen Monat (§§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 S. 1 FamFG). Zu beachten ist, dass es sich hierbei um eine Notfrist handelt, die nicht verlängert werden kann (§ 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO).

Die Wirkung der formellen Rechtskraft besteht darin, dass das Erbscheinsverfahren beendet und die Einlegung einer Beschwerde damit ausgeschlossen ist. Durch eine höhere Instanz kann die Entscheidung des Nachlassgerichts im Fall der eingetretenen formellen Rechtskraft nicht mehr geändert werden.[26]

Nach erfolgter Erteilung eines Erbscheins besteht allerdings keine materielle Rechtskraft für den Bestand des im Erbschein ausgewiesenen Erbrechts.[27] In einem späteren Erbenfeststellungsprozess besteht somit keine Bindung an die über das Erbrecht getroffene Entscheidung des Nachlassgerichts. Ein Streit über das Erbrecht wird durch die Entscheidung im Erbscheinsverfahren nicht ausgeräumt.[28] Der unrichtige Erbschein vermag die wahre Erbenstellung nicht zu ändern.[29] Dementsprechend steht der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen die im Erbscheinsverfahren ergangene letztinstanzliche Entscheidung der Grundsatz der Subsidiarität[30] entgegen, sofern noch eine zivilprozessuale Klage auf Feststellung des Erbrechts möglich ist.[31]

Der wirkliche Erbe kann unabhängig von einem Erbscheinsverfahren vor dem Prozessgericht gegen den Erbscheinserben Klage auf Feststellung seines Erbrechts erheben. Selbst durch einen entgegenstehenden Inhalt eines vom Nachlassgericht erteilten Erbscheins ist er daran nicht gehindert. Das Prozessgericht kann von den Feststellungen des Nachlassgerichts abweichen.[32]

[25] Einen Überblick über die Rechtsbehelfe im Erbscheinsverfahren bietet Kroiß, in: Bonefeld/Kroiß/Tanck, Der Erbprozess, 5. Aufl., 2016, § 12 Erbscheinsverfahren Rn 129 ff.
[26] Obermann, in: BeckOK FamFG, Hahne/Schlögel/Schlünder, Stand: 1.4.2022, § 45 Rn 1a.
[27] BGH, Urt. v. 14.4.2010 – IV ZR 135/08, ZEV 2010, 468.
[28] BGH, Beschl. v. 3.2.1967 – III ZB 15/66.
[29] Zimmermann, ZEV 2010, 457.
[30] Die Verfassungsbeschwerde kann in der Regel erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG). Nur wenn ein Fall von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer unabwendbarer Nachteil entstünde, kann das BVerfG vor einer Erschöpfung des Rechtswegs sofort entscheiden (§ 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG).
[32] BGH, Beschl. v. 3. 2. 1967 – III ZB 15/66.

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