II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt im Ergebnis die Auffassung des Nachlassgerichts, dass sich die Erbfolge nach dem Testament vom 26.10.2015 bestimmt und nicht nach dem von der Erblasserin und ihrem vorverstorbenen Ehemann niedergelegten Erbvertrag vom 17.8.1965. Letzterer enthält für die hier inmitten stehende Erbfolge nach der Erblasserin keine vertragsmäßigen Verfügungen, aufgrund derer die in dem Testament vom 26.10.2015 erfolgte Einsetzung der Beteiligten zu 2 zur Alleinerbin gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam wäre.

1. Die Eheleute haben sich in dem Erbvertrag vom 17.8.1965 unter Ziffer II. "in einseitig unwiderruflicher Weise" (und damit vertragsmäßig im Sinne des § 2278 BGB) gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und den Sohn des Ehemannes aus erster Ehe als Erben des Längstlebenden eingesetzt. Damit tritt grundsätzlich im Hinblick auf § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB eine Bindung des überlebenden Ehegatten an die von ihm getroffene vertragsmäßige Verfügung in Bezug auf den Letztbedachten ein. Hingegen entfällt die Bindung, wenn der Bedachte wegfällt. Dies gilt nicht, wenn seine Abkömmlinge als Ersatzerben berufen sind (vgl. Palandt/Weidlich, BGB 80. Auflage 2021, § 2289 Rn 6). Insofern steht vorliegend die Problematik inmitten, ob die Ehegatten in dem hier allein maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine Ersatzerbfolge für den Fall des Vorversterbens des Bedachten getroffen haben.

2. Eine ausdrückliche Regelung findet sich in dem Testament nicht. Demgemäß stellt sich die Frage, ob sich im Wege der Grundsätze der ergänzenden Testamentsauslegung die Regelung einer Ersatzerbfolge ergibt.

a) Voraussetzung hierfür ist (zunächst) die positive Feststellung einer unbewussten Regelungslücke. Ergibt sich aber, dass die Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bewusst davon abgesehen haben, eine Regelung der Ersatzerbfolge zu treffen, liegt eine bewusste Regelungslücke vor, die nicht durch eine ergänzende Testamentsauslegung geschlossen werden kann. Insofern ist auch von vornherein kein Raum für eine (analoge) Anwendung des § 2069 BGB, da es sich hierbei um eine Auslegungsregel handelt und diese erst dann herangezogen werden kann, sofern kein individueller Erblasserwille festgestellt werden kann.

b) Ausgangspunkt der (ergänzenden) Auslegung betreffend die in dem Erbvertrag getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen ist nicht allein der individuelle Wille des jeweils Testierenden, sondern es kommen insofern die Grundsätze des § 157 BGB zum Tragen (vgl. BeckOGK/Gierl, 1.9.2021, BGB, § 2084 Rn 12).

aa) Demgemäß kommen für die Feststellung des Inhalts der von den Ehegatten getroffenen letztwilligen Verfügungen auch den Äußerungen der Erblasserin in ihrem Testament vom 4.9.2012 betreffend das Unterlassen einer Ersatzerbfolge vorliegend Bedeutung zu. Dabei ist aber auch die Intension der Erblasserin zu berücksichtigten, die darauf gerichtet ist, neu testieren zu können, und damit ein Eigeninteresse dahingehend besteht, dass die Ehegatten von der Regelung einer Ersatzerbfolge bewusst Abstand genommen haben.

bb) Andererseits finden sich nach Auffassung des Senats für diese Willensrichtung der Ehegatten Anhaltspunkte sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Testierung in dem Erbvertrag vom 17.8.1965, die auf den Wahrheitsgehalt der Äußerung der Erblasserin hindeuten:

(1) Die letztwilligen Verfügungen der Ehegatten erfolgten unter Beteiligung eines Notars, was den Schluss nahelegt, dass er sie bei der Abfassung des Vertrags beraten hat (vgl. dazu OLG München, NJW-RR 2012, 9).

(2) Zudem haben die Ehegatten ausdrücklich in Ziffer II am Ende erklärt, dass sie "sonst nichts bestimmen wollen".

Diese Formulierung ist zwar nicht eindeutig und insoweit auslegungsbedürftig. Eine solche Formulierung kann bedeuten, dass die Ehegatten bei Abschluss des Erbvertrages über die in Ziffer II. getroffenen Verfügungen hinaus bewusst von weiteren Verfügungen, insbesondere weiterer Ersatzerbeneinsetzungen, abgesehen haben. Das kann aber auch heißen, dass sie es nicht für notwendig gehalten haben, eine weitere Ersatzerbenregelung zu treffen, weil sie ein Versterben des Bedachten ohne Abkömmlinge für unwahrscheinlich gehalten haben. Denkbar ist schließlich, dass es sich bei dieser Formulierung lediglich um eine Standardformulierung handelt, der ein eher floskelhafter Charakter zu kommt (vgl. hierzu auch OLG München, FGPrax 2013, 177/178).

Gegen Letzteres spricht aber, dass vor dieser Formulierung ausdrücklich eine Klarstellung erfolgt ist, dass die Erbeinsetzung des Letztbedachten keine Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge darstellt. Dies deutet darauf hin, dass der Einsetzung des Letztbedachten eine umfassende Beratung durch den Notar vorausgegangen ist, die auch eine etwaige Regelung einer Ersatzerbfolge für den Fall des Wegfalls bzw. Vorversterbens des Letztbedachten miteinschloss. Zwar drängt sich eine solche Beratung nicht im Hinblick auf das Alter der Testierenden (48 und 49 Jahre) und des Bedac...

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