Anders als es die Sentenz des II. Senats vermuten lässt, legt die Rechtsprechung § 3 ErbStG nicht immer konsequent zivilrechtsakzessorisch aus.[56] Im Bereich der Erwerbe nach ausländischem Recht bestehen Abweichungen. Erwerbe vollziehen sich nach ausländischem Recht, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls im Ausland lag (Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO) oder der Erblasser sich für das Recht seines Angehörigkeitsstaats entschieden hat (Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO).[57] Würde man § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG streng zivilrechtsakzessorisch auslegen und auf Erwerbe nach deutschem Recht beschränken, dann würden die Vorschriften über die beschränkte persönliche Steuerpflicht in § 2 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG weitgehend leerlaufen.[58] Zahlreiche Erblasser könnten die deutsche Besteuerung durch die Wahl ausländischen Rechts sogar vermeiden (Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO). Nach der ständigen Rechtsprechung umfasst die Verweisung auf das deutsche Erbrecht jedoch auch ausländische Erwerbstatbestände, die dem deutschen Zivilrecht vergleichbar sind.[59] Zur Feststellung der Vergleichbarkeit hat der BFH die "zweistufige Objektqualifikation" entwickelt.[60] Erwerbe nach ausländischem Recht sind inländischen Erwerben vergleichbar, wenn das ausländische Rechtsinstitut einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG genannten Tatbestände entspricht.[61] Ist dies nicht der Fall, soll Vergleichbarkeit auch gegeben sein, wenn der Erwerbsanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem der im ErbStG genannten Erwerbe gleichkommt.[62]
Beispiel:
Ein Franzose erwirbt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das Vermögen seiner verstorbenen Ehefrau. Der Erwerb vollzieht sich nicht nach Erbrecht, sondern nach französischem Ehegüterrecht (Art. 1524 Abs. 1 C. Civ.). Unabhängig von den Wertungen des französischen Zivilrechts stellte der II. Senat jedoch primär auf die wirtschaftliche Vergleichbarkeit der Rechtsfolge ab und unterwarf den Erwerb der Besteuerung.[63]
Trotz der gesetzlichen Klammerverweise wird § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht in jeglicher Hinsicht streng zivilrechtsakzessorisch ausgelegt. Bei Erwerben nach ausländischem Recht ist eine "Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn" anerkannt.
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