I. Die kinderlose Erblasserin war griechische Staatsangehörige. Sie ist am 12.5.2015 in B. verstorben.

Die Beteiligten zu 1 und 2, die Geschwister der Erblasserin, beantragen die Einziehung des vom Nachlassgericht am 26.2.2018 erteilten Erbscheins, der sie zu Erben nach ihrer Schwester zu je 1/8 und den am 10.6.2015 nachverstorbenen Ehemann der Erblasserin zu ¾ ausweist.

Dem liegt zugrunde, dass die Erblasserin zwar griechische Staatsangehörige war, sie aber mit ihrem Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, woraus das Nachlassgericht im Erbscheinserteilungsverfahren den Schluss gezogen hatte, dass auf den vorliegenden Fall griechisches Erb- und deutsches Güterrecht anzuwenden sei. Es hat deshalb den Erbteil des Ehemannes gemäß den §§ 1937 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB entsprechend erhöht. Auf den angefochtenen Beschluss des Nachlassgerichts wird insoweit Bezug genommen.

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf (ZEV 2018, 205 ff.) sind die Beschwerdeführer nunmehr der Ansicht, die vom EuGH angenommene erbrechtliche Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB sei auf den vorliegenden Fall mit der Folge zu übertragen, dass der erteilte Erbschein unrichtig und deswegen einzuziehen sei.

Stattdessen sei ein Erbschein zu erteilen, der die Beschwerdeführer zu je ¼ und den Ehemann zu ½ ausweist.

Das Nachlassgericht hat den erteilten Erbschein nicht eingezogen, es beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Grundsätze der Entscheidung des EuGH nicht auf Fälle vor Inkrafttreten der EuErbVO vom 17.8.2015 übertragbar seien.

II. Die zulässigen Beschwerden bleiben in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des erteilten Erbscheins gemäß § 2361 BGB nicht vorliegen.

1. Ein Erbschein ist einzuziehen, wenn sich nach der Erteilung seine Unrichtigkeit herausstellt. Unrichtig ist der Erbschein, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich entfallen sind. Das Nachlassgericht hat sich bei der Entscheidung in die Lage zu versetzen, als hätte es den Erbschein erstmalig zu erteilen (BayObLGZ 1980, 72, 74; Gierl, in: Burandt/Rojahn, 3. Aufl. 2019, BGB, § 2361 Rn 4; Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2018, § 353 Rn 3; Krätzschel, in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 39 Rn 2).

2. Allerdings liegen die Voraussetzungen der Unrichtigkeit des Erbscheins im vorliegenden Fall nicht vor, denn der BGH hat seine Rechtsprechung zur Qualifizierung von § 1371 Abs. 1 BGB nicht geändert und der Senat folgt dieser Rechtsprechung (2. b aa)) und die Rechtsprechung des EuGH bindet vorliegend den Senat nicht (2. b bb)).

Deswegen braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob sich die Unrichtigkeit des Erbscheins sich auch aus einer nachträglichen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben kann, wofür spricht, dass der Erbschein der materiellen Rechtskraft nicht zugänglich ist (Krätzschel, a.a.O., Rn 1).

a) Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall griechisches Erbrecht zur Anwendung kommt, Art. 25 Abs. 1 EGBGB (in der bis zum 16.8.2015 geltenden Fassung), weil die Erblasserin griechische Staatsangehörige war und vor Inkrafttreten der EuErbVO verstorben ist. Entsprechend dem griechischen ZGB wird dabei der überlebende Ehegatte neben Verwandten der 2. Ordnung Erbe zu ½.

b) Zugleich findet deutsches Güterrecht Anwendung, weil die Ehegatten in Deutschland zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (vgl. Döbereiner, in: Firsching/Graf, a.a.O., § 48 Rn 54 [Griechenland]). Deswegen steht dem überlebenden Ehegatten neben seinem gesetzlichen Erbteil von ½ gemäß § 1371 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um ¼, mithin eine Gesamtquote von ¾ zu.

aa) Der Senat teilt im Hinblick auf diese Frage die Ansicht des BGH (ZEV 2015, 409 ff.), wonach die Durchführung des pauschalen Zugewinns bei Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten gemäß § 1371 BGB güterrechtlich zu qualifizieren ist. Das folgt aus der vom BGH überzeugend begründeten Annahme, dass es der Zweck der Vorschrift ist, den Güterstand als Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und aufgrund der Ehe abzuwickeln, nicht aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Erblasser an dessen Vermögen zu beteiligen (BGH, a.a.O., S. 411 Tz. 25). Insbesondere teilt der Senat die Ansicht des BGH, wonach durch § 1371 Abs. 1 BGB gerade die Schwierigkeiten vermieden werden sollen, die nach dem Tod eines Ehegatten entstehen können, wenn die Erben einerseits über den Bestand von Anfangs- und Endvermögen nicht Bescheid wissen und andererseits die Eheschließung u.U. schon geraume Zeit zurückliegt und deswegen die erforderlichen Feststellungen zu Bestand von Anfangs- und Endvermögen nicht mehr (leicht) getroffen werden können. In diesen Fällen hat sich der Gesetzgeber für die pauschale Erhöh...

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