I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO. Eine freigebige Zuwendung der O an die Klägerin liegt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht vor.

1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

a) Eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit (vgl. BFH, Urt. v. 30.1.2013 – II R 6/12, BFHE 240, 178, BStBl II 2013, 930). Eine Bereicherung des Empfängers ist gegeben, wenn dieser über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann (vgl. BFH, Urt. v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010, 900). Ob eine Bereicherung des Empfängers vorliegt und welche Personen als Zuwendender und als Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt sind, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage (vgl. BFH, Urt. v. 9.12.2009 – II R 22/08, BFHE 228, 165, BStBl II 2010, 363; v. 30.11.2009 – II R 70/06, BFH/NV 2010, 900).

b) Wird ein Vermögensgegenstand einer Person im Wege der Schenkung übertragen und wendet diese den Vermögensgegenstand freigebig einem Dritten zu, ist für die Bestimmung des jeweiligen Zuwendenden und des jeweiligen Bereicherten darauf abzustellen, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Verwendung des geschenkten Gegenstands hat (vgl. BFH, Urt. v. 6.5.2015 – II R 35/13, BFH/NV 2015, 1412; v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934; v. 10.3.2005 – II R 54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 16. Aufl., § 7 Rn 68a; Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn 237).

Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor (BFH, Urt. v. 6.5.2015 – II R 35/13, BFH/NV 2015, 1412). Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht (BFH, Urt. v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).

Wendet der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand ohne eine solche rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Vielmehr liegen eine Schenkung des Zuwendenden an den Bedachten und eine Schenkung des Bedachten an den Dritten vor (BFH, Urt. v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).

c) Ob ein Bedachter über einen zugewendeten Gegenstand frei verfügen kann oder verpflichtet ist, diesen einem Dritten zuzuwenden, ist unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden (BFH, Urt. v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben (BFH, Urt. v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.

Für die Annahme einer Weitergabeverpflichtung des Bedachten reicht es jedoch nicht aus, dass der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten weiterschenkt (BFH, Beschl. v. 30.11.2011 – II B 60/11, BFH/NV 2012, 580). Wird dagegen im Schenkungsvertrag zwischen dem Zuwendenden und dem Bedachten die Weiterschenkung an den Dritten vereinbart, kann der Bedachte über den Gegenstand nicht frei verfügen (BFH, Urt. v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934).

Eine kurze Verweildauer des Geschenks beim Bedachten spricht für sich allein genommen nicht für eine Weitergabeverpflichtung (BFH, Urt. v. 18.7.2013 – II R 37/11, BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934). Aus diesem Grund ist eine Weitergabeverpflichtung des zuerst Bedachten nicht schon deshalb anzunehmen, weil die Schenkung und die Weiterschenkung in zwei zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgenden notariellen Urkunden vereinbart wurden und der zuerst Bedachte den geschenkten Gegenstand vor der sich unmittelbar anschließenden Weiterschenkung nicht tatsächlich als Eigentümer nutzen konnte. Der zeitlichen Abfolge der Schenkungen kann allerdings im Rahmen der Gesamtwürdigung eine Indizwirkung zukommen (BFH, Urt. v. 18.7.2013 –...

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