Der als "Erinnerung" bezeichnete Rechtsbehelf ist als befristete Beschwerde gemäß den §§ 58 ff, 63 Abs. 1, 11 Abs. 1 RPflG statthaft, über die gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, nachdem der zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts (§§ 3 Nr. 2 c), 16 Abs. 1 Nr. 7 RpflG) ihr nicht gemäß § 68 Abs. 1 FamFG abgeholfen hat.

1. Zwar ging der Einziehung eine gegen den Mindestteil-Erbschein vom 22.7.2009 gerichtete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) vom 3.3.2010 voraus, die gemäß Art. 111 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) an sich noch den bis zum Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 geltenden Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) unterfiel. Da diese Beschwerde nach der Erteilung des Mindestteil-Erbscheins jedoch mit dem Ziel der Rückgängigmachung der Erbscheinserteilung unzulässig war, hat das Amtsgericht den Rechtsbehelf der weiteren Beteiligten zu 1) – in Übereinstimmung mit den §§ 58, 352 Abs. 3 FamFG – in einen "Antrag" auf Einziehung des Erbscheins umgedeutet (Bl 30 dA; vgl. Staudinger/Schilken (2004), § 2353 BGB, Rn 92), der – im Sinne einer Anregung (vgl. § 24 Abs. 1 FamFG) – zur Einleitung eines Einziehungsverfahren führte. Dieses von Amts wegen zu führende Verfahren (vgl. § 2361 Abs. 3 BGB) stellt gegenüber dem Erbscheinserteilungsverfahren ein neues selbstständiges Verfahren iSd Art. 111 Abs. 2 FGG-RG dar, dessen Verfahrensrecht sich gemäß § 111 Abs. 1 FGG-RG durch den Zeitpunkt seiner Einleitung bestimmt (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2353, Rn 7). Das Verfahren richtet sich mithin nach neuem – ab dem 1.9.2009 geltendem – Recht.

2. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Zwar ist die Beschwerdefrist gemäß § 63 Abs. 1 und 3 FamFG versäumt, da die Rechtsmittelschrift vom 16.4.2010 später als einen Monat nach der Zustellung des Einziehungsbeschlusses beim Amtsgericht – Nachlassgericht – eingereicht worden ist. Da das Amtsgericht in Annahme der Anwendbarkeit alten Verfahrensrechts auf den unbefristet einzulegenden Rechtsbehelf der Erinnerung hingewiesen hat, fehlt es jedoch an einer korrekten Rechtsmittelbelehrung, wie sie in § 39 FamFG für alle die Instanz eines Verfahrens nach dem FamFG abschließenden Entscheidungen iSd § 38 Abs. 1 FamFG gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, § 39, Rn 1). Wie sich aus der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffenden Regelung des § 17 Abs. 2 FamFG ergibt, hindert eine fehlerhafte oder gar unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung zwar nicht den Lauf der Rechtsmittelfrist, begründet aber die Vermutung, dass der Betroffene ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 39 FamFG, Rn 17). An dem dieser Vermutung zugrunde liegenden Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis fehlt es im Streitfall auch nicht deshalb, weil die Beschwerdeführerin aufgrund anwaltlicher Vertretung des Schutzes durch eine Rechtsmittelbelehrung nicht bedurft hätte (vgl. zu der geringeren Schutzbedürftigkeit anwaltlich vertretener Beteiligter unter dem Aspekt des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis BT-Drucks. 16/6308, S. 183 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BGH, Beschl. v. 2.5.2002 – V ZB 36/01 – BGHZ 150, 390; Zöller/Geimer, aaO, § 17 FamFG, Rn 3). Ungeachtet des Umstands, dass die Beschwerdeführerin bei Erteilung der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung gerade noch nicht anwaltlich vertreten war, erschließt sich wegen der oben dargestellten Besonderheiten des Erbscheinserteilungs- und -einziehungsverfahrens und der jeweiligen Rechtsmittel das geltende Verfahrensrecht nur schwer, sodass auch der anwaltlich vertretene Beteiligte jedenfalls bei einer unrichtigen – und damit irreführenden – Rechtsbehelfsbelehrung als schutzbedürftig angesehen werden muss. Da gemäß § 17 Abs. 2 FamFG zu vermuten ist, dass die Beschwerdeführerin ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist verhindert war, war ihr gemäß § 18 Abs. 3 Satz 3 FamFG auch ohne entsprechenden Antrag von Amts wegen Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren.

b) Nach Einziehung und Kraftloserklärung des streitgegenständlichen Erbscheins ist die Beschwerde gegen den Einziehungsbeschluss allerdings nur insoweit zulässig, als die Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins beantragt wird, § 353 Abs. 2 FamFG (in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung, vgl. BayObLG, FamRZ 1989, 550; OLG Köln, NJW-RR 1994, 1421). Diesem Erfordernis hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf Wiedererteilung eines sie als Erbin zu 1/2 ausweisenden Mindestteil-Erbscheins Rechnung getragen.

c) Der in § 61 Abs. 1 FamFG für vermögensrechtliche Angelegenheiten vorgesehene Beschwerdewert von 600 EUR ist bei einem Nachlasswert von 34.601 EUR (vgl. Bl 15 in 3 VI 565/09) für das auf Wi...

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