Das Grundproblem der vom BVerfG genannten zivilrechtlich und betriebswirtschaftlich anerkannten Methoden der Unternehmensbewertung ist die Ermittlung künftiger Erträge bzw. im Fall der Discounted-Cash-Flow-Verfahren künftiger operativer Einzahlungsüberschüsse. Hinzu tritt – nicht weniger ergebnisrelevant – die Notwendigkeit der Festlegung eines für das jeweilige Unternehmen und dessen Marktumfeld relevanten für die Zukunft ermittelten Kapitalisierungszinssatzes. Der Wert des betreffenden Unternehmens ist als Ergebnis des Zusammenwirkens dieser zukunftsorientierten Parameter nicht exakt zu fassen.[17] Um das Problem der unternehmensspezifischen Zukunftsbetrachtung zu umschiffen, bietet der Gesetzgeber in den §§ 199 bis 203 BewG ein – entgegen der AntBVBewV des Regierungsentwurfes[18] nicht größenabhängiges – sogenanntes vereinfachtes Ertragswertverfahren an.

Nach § 200 BewG wird der Ertragswert durch die Multiplikation des nachhaltig erzielbaren Jahresertrages mit dem Kapitalisierungsfaktor (§ 203 BewG) ermittelt. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen wird eigenständig bewertet und der dabei gefundene Wert hinzugesetzt. Das vereinfachte Ertragswertverfahren weist sowohl beim Parameter des Jahresertrages als auch demjenigen des Kapitalisierungsfaktors wesentliche Mängel auf.

[17] Immanuel Kant (1724–1804), Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Suhrkamp 1956, S. 282: "... da wir, mit aller Anstrengung unserer Vernunft, nur eine sehr dunkele und zweideutige Aussicht in die Zukunft haben ..."; "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen", zugeschrieben Mark Twain, Winston Churchill; aus neuerer Zeit OLG Stuttgart, AG 2004, 43, 45 mzwN.
[18] Hierzu Piltz, DStR 2008, 745; Hannes/Onderka, ZEV 2008, 173.

aa) Jahresertrag

Nach § 201 BewG wird der Jahresertrag anhand des Durchschnittsertrages aus den gemäß § 202 BewG bereinigten Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre hergeleitet. Ein positives Betriebsergebnis ist zur Abgeltung des Ertragsteueraufwands pauschal um 30 % zu mindern (§ 202 Abs. 3 BewG). Entgegen der vom BVerfG genannten Methoden findet keine Zukunftsbetrachtung, sondern ausschließlich eine Rückschau statt. Dass eine reine Vergangenheitsbetrachtung ohne Prognose[19] keine Grundlage der Ermittlung künftiger Erträge oder Einzahlungsüberschüsse zu bieten vermag, wird aber gerade in der aktuellen Finanzkrise – man denke nur etwa an die Automobilzulieferer – deutlich.

[19] IDW (Fn 15), Tz 75: "Aufbauend auf der Vergangenheitsanalyse sind die künftigen finanziellen Überschüsse zu prognostizieren."

bb) Kapitalisierungsfaktor

Nach § 203 Abs. 3 BewG ist der Kapitalisierungsfaktor der Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes. Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich zusammen aus dem Basiszinssatz und einem Zuschlag von 4,5 % (§ 203 Abs. 1 BewG). In dem Entwurf der vorangegangenen, nunmehr in das Gesetz genommenen Regelungen der Rechtsverordnung wurde von einem Basiszinssatz von ebenfalls 4,5 % ausgegangen.[20] Auf dieser Grundlage ergibt sich ein Kapitalisierungszinssatz von 9 %, der als Kehrwert (§ 203 Abs. 3 BewG) einem Kapitalisierungsfaktor von 11,11 entspricht.

In seiner Entscheidung vom 7.11.2006 hat das BVerfG zu dem einheitlichen Vervielfältiger des § 146 Abs. 2 BewG aF in Form des 12,5-Fachen der Jahresmiete zur Ermittlung des Werts bebauter Grundstücke ausgeführt, es sei offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden im Verhältnis zum gemeinen Wert führen müsse. Diese Bewertungsmethode wurde vom BVerfG wegen der fehlenden Berücksichtigung einzelspezifischer und regionaler Unterschiede verworfen.[21] Wenn aber ein einheitlicher Vervielfältiger für die Bewertung bebauter Grundstücke aufgrund der fehlenden Differenzierung nach individuellen Kriterien untauglich ist, muss dies erst recht für einen einheitlichen Kapitalisierungszinssatz gelten, der in einen unternehmensspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigenden, einheitlichen Kapitalisierungsfaktor mündet. So widerspricht es auch betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen, auf einen alteingesessenen Maschinenbauer den identischen Kapitalisierungsfaktor anzuwenden wie auf ein Start-up-Unternehmen der Bioscience-Branche.[22]

[20] Hannes/Onderka, ZEV 2008, 173, 176.
[21] BVerfGE 117, 1, 49, 51 zum Zusammenhang zwischen dieser Feststellung des BVerfG und der Unternehmensbewertung vgl. Stellungnahme des Bundesrates von 15.2.2008 BR-DS 4/08 – Beschluss S. 16.
[22] IDW Standard (Fn 15); IDW 2008, 271, 282 Tz 91; Großfeld (Fn 15), S. 121 f, 130 mzwN; Schoberth/Ihlau, BB 2008, 2114, 2117; Creutzmann DB 2008, 2784, 2789.

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