1. Zulässigkeitsvoraussetzungen und Form

Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde, § 54 VwVfG.

 

Beispiele:

  • Erschließungsvertrag,
  • Stellplatzablösevertrag,
  • (sozialrechtliche) Eingliederungsvereinbarung,
  • denkmalschutzrechtlicher Sanierungsvertrag.

Der Vertragsgegenstand und der objektive Inhalt seiner Rechtsfolgen sind entscheidend für die Abgrenzung zu privatrechtlichen Verträgen. Auf das subjektiv gewollte Vertragsziel kommt es demgegenüber nicht an.

 

Hinweis:

Besteht ein Vertrag aus öffentlich-rechtlichen und auch privatrechtlichen Teilen, handelt es sich insgesamt immer um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, auch wenn der privatrechtliche Teil dominiert.

Unterschieden werden koordinationsrechtliche und subordinationsrechtliche Verträge. Vertragspartner koordinationsrechtlicher Verträge sind verschiedene Träger der öffentlichen Verwaltung. Zwischen diesen Trägern können Rechtsbeziehungen nicht durch einen Verwaltungsakt begründet werden. Subordinationsrechtliche Verträge sind durch ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen den Vertragsparteien (i.d.R. Verwaltung – Bürger, aber auch Verwaltung – Verwaltung) gekennzeichnet.

Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist, § 57 VwVfG.

 

Beispiel:

In einem Dienstgespräch einigen sich Dienstherr und Beamter in Form eines Vertrags sui generis darauf, dass der Dienstherr eine neutrale Abordnungsverfügung „ohne Benennung konkreter dienstlicher Gründe in Form der Störung des Schulfriedens” erlassen werde. In einer etwaigen Absprache ist mangels Einhaltung der Schriftform kein wirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen worden (OVG NRW, Beschl. v. 29.1.2021 – 6 B 2026/20, juris Rn 7).

Die Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags kann von der Zustimmung eines Dritten oder einer anderen Behörde abhängen. Nach § 58 VwVfG gilt, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam wird, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Wird anstatt eines Verwaltungsakts, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung, die Zustimmung oder das Einvernehmen einer anderen Behörde erforderlich ist, ein Vertrag geschlossen, so wird dieser erst wirksam, nachdem die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat.

 

Hinweis:

Fehlt eine notwendige Zustimmung oder Mitwirkung, ist der Vertrag schwebend unwirksam.

 

Beispiel:

Eine Sondernutzungsvereinbarung mit einem Zweckverband, nach der dieser auf bestimmten öffentlichen Flächen Sammelcontainer aufstellen und dies unter Wahrung des Vertragszwecks Dritten gestatten darf, ist mit Blick auf die weitreichenden Auswirkungen für das Stadtbild kein Geschäft der laufenden Verwaltung. Ein solcher öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nur wirksam, wenn er durch den Gemeinderat konzipiert bzw. genehmigt wird. Fehlt diese Genehmigung oder ein entsprechendes Konzept, ist die Sondernutzungsvereinbarung gem. § 58 VwVfG unwirksam und kann nicht zur Grundlage einer Versagung von Sondernutzungserlaubnissen gegenüber Dritten gemacht werden (VG Trier, Urt. v. 8.12.2014 – 6 K 410/14, ZAP EN-Nr. 363/2015).

2. Arten öffentlich-rechtlicher Verträge

a) Vergleichsvertrag

Der Vergleichsvertrag ist in § 55 VwVfG in Anlehnung an § 779 BGB und § 106 VwGO geregelt. Hauptanwendungsfall im anwaltlichen Alltag dürfte der Prozessvergleich sein.

Ein Prozessvergleich ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, den die Beteiligten eines Rechtsstreits vor einem Gericht schließen, um einen zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreit im Wege des gegenseitigen Nachgebens zu beenden. Dabei können grds. auch Gegenstände in den Vergleich einbezogen werden, die außerhalb des prozessualen Streitgegenstands liegen. Jedenfalls bedarf es aber einer Einigung in Form des gegenseitigen Nachgebens. Ist die Leistung des Hoheitsträgers sehr weitreichend und die Gegenleistung des Bürgers sehr gering, kann im Einzelfall ein Verstoß gegen das Gebot der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens vorliegen. Darüber hinaus muss der Vergleich einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, insb. hinreichend bestimmt sein. Daran fehlt es, wenn Inhalt, Art und Umfang der Vollstreckung, sowie die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, aus dem Titel selbst nicht hinreichend bestimmbar sind. Ein Rückgriff auf andere Unterlagen ist dabei nicht zulässig (s.a. Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.1.2021 – 15 C 20.2668, juris Rn 13 m.w.N.). Nach § 106 S. 1 VwGO kann ein Vergleich nur geschlossen werden, soweit die Beteiligten über den Gegenstand des Vergleichs verfügen können. Wäre ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag nichtig, fehlt es grds. an der Verfügungsbefugnis der Behörde. Die Verfügungsbefugnis setzt weiter voraus, dass die...

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