Jeder gerichtliche Beschluss ist streng auf die Abwägung von Einzelgesichtspunkten im konkreten Fall zu prüfen (BGH FamRZ 2010, 1060). Eine Entscheidung in Kindschaftsverfahren sollte – genauso wie die Schriftsätze der beteiligten Elternteile – die gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Kindeswohlschwelle gegliedert aufschlüsseln.

Zur Übertragung der elterlichen Sorge im Rahmen der § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB oder des § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB sind vorrangig vier Kriterien zu prüfen, die keine Rangfolge darstellen. Der BGH (seit BGH FamRZ 1990, 392; FamRZ 2010 1060; FamRZ 2011, 796) wörtlich: "Alle Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander; jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Diese Entscheidung liegt letztlich in der Verantwortung des Tatrichters." Die Kriterien lauten wie folgt:

  • Der Kontinuitätsgrundsatz stellt ab auf Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Beziehungs- und Erziehungsverhältnisse sowie der Lebensumgebung.
  • Sehr wichtig ist der Wille des Kindes, soweit der in der nach § 159 FamFG zwingenden Anhörung geäußerte Wille mit dem Kindeswohl vereinbar ist und das Kind nach Reife und Alter zu einer Willensbildung im natürlichen Sinn in der Lage ist. Maßstab sind hier die Klarheit, die Konstanz, die Nachvollziehbarkeit, die Verständlichkeit sowie die Autonomie des geäußerten Willens einschließlich seiner Bildung.
  • Zu prüfen sind ferner die gesunden und angstfreien Bindungen des Kindes an Eltern und Geschwister.
  • Im Rahmen des sog. Förderprinzips zählen Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung (u.a. Erziehungseignung, -kompetenz und Bindungstoleranz), wobei ein Defizit in der Erziehungseignung durch starke Bindungen des Kindes an den Elternteil kompensiert werden kann (OLG Hamm FamRZ 2017, 1225).

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