Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten (BVerfG FamRZ 2004, 1015; Schilling NJW 2007, 3233, 3238 m.w.N.). Daher wird in den meisten Fällen als mildeste und verhältnismäßigste Maßnahme nur ein Teilbereich der elterliche Sorge (z.B. Gesundheitsfürsorge bei Streit um kieferorthopädische Behandlung) oder die Entscheidungsbefugnis für eine bestimmte Angelegenheit (etwa Auswahl der weiterführenden Schule) gem. § 1628 BGB zu übertragen sein, bei Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen (vgl. BVerfG FamRZ 2004, 1015 und BGH NJW 2005, 2080 = FamRZ 2005, 1167, wonach zu prüfen ist, ob nicht eine Entscheidung nach § 1628 BGB dem Dissens abhelfen kann). Oft ist daher eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ausreichend (BVerfG FamRZ 2004, 1015; Schilling NJW 2007, 3233, 3238 m.w.N.).

Diese – streng juristisch begründete – Differenzierung versagt aber häufig in der Lebenswirklichkeit. Denn sie setzt immer voraus, dass nach der gerichtlichen Regelung über den streitigen Teilbereich die restlichen Fragen des Sorgerechts von den Eltern zukünftig gemeinsam – und ohne neuen Streit – geregelt werden können. Vielfach können aber die Eltern nicht die – juristisch differenzierten – Bereiche der elterlichen Sorge unterscheiden. Uneinigkeiten über einen Teilbereich des Sorgerechts verschlechtern nicht nur die Stimmung zwischen den Eltern, sondern wirken sich nachhaltig auf die Kommunikationsfähigkeit aus und führen vielfach oft dazu, dass die "gemeinsame Basis" für alle Fragen des Sorgerechts verloren geht und es sogar zu Streitigkeiten im Umgangsrecht kommt.

 

Praxishinweis:

Die Kindeseltern sollten darauf hingewiesen werden, dass der betreuende Elternteil in den "Angelegenheiten des täglichen Lebens" ohnehin gem. § 1687 BGB alleinentscheidungsbefugt ist.

Dementsprechend hat folglich auch der umgangsberechtigte Elternteil gem. § 1687a BGB in den Zeiten seines Umgangs das alleinige Sagen in den Angelegenheiten des täglichen Lebens (s.u. "Angelegenheiten des täglichen Lebens", S. 1322).

 

Hinweis:

Streitigkeiten über Alltagsangelegenheiten führen daher nicht zu einer Sorgeentscheidung nach § 1671 BGB, da hier schon kein Regelungsbedarf besteht.

Fragen der Ernährung, der Bettruhe und der Aktivitäten können damit insbesondere nicht zu Bedingungen für eine Umgangsausübung erhoben werden, auch wenn eine Vereinbarung auch zu diesen Themen oft hilfreich ist, um Widerstände gegen einen Umgang abzubauen.

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