1. Erforderlichkeit einer Betreuung
Nach § 1896 BGB bestellt das Gericht für einen Volljährigen auf seinen Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer, wenn der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Diese Voraussetzungen können nicht aufgrund einer bloßen Verdachtsdiagnose des Sachverständigen festgestellt werden (BGH MDR 2016, 1452).
An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Eine wirksame Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen (BGH MDR 2016, 1453).
Hinweis:
Allein die Tatsache, dass der Betroffene sich dahingehend äußert, eine Betreuung nicht haben und mit einem möglichen Betreuer nicht zusammenarbeiten zu wollen, genügt nicht, um die Erforderlichkeit der Betreuung entfallen zu lassen (BGH FamRZ 2016, 1350 = MDR 2016, 1021 = FuR 2016, 519; BGH FamRZ 2016, 1663 = NJW 2016, 3098 = MDR 2016, 1089).
2. Persönliche Anhörung im Betreuungsverfahren
Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Recht auf freie und selbstbestimmte Entfaltung der Persönlichkeit sichert jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Ein Eingriff in dieses Recht ist nur gerechtfertigt, wenn das zuständige Bereuungsgericht nach angemessener Aufklärung des Sachverhalts davon ausgehen darf, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung oder Verlängerung einer Betreuung tatsächlich gegeben sind.
Erneut betont das BVerfG (FamRZ 2016, 1041 m. Anm. Sonnenfeld = NJW 2016, 2559 = FuR 2016, 589), dass angesichts der mit einer Betreuung verbundenen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine persönliche Anhörung durch das Betreuungsgericht grundsätzlich unverzichtbar ist. Die persönliche Anhörung darf nur im Einzelfall bei Gefahr im Verzug vorläufig unterbleiben, ist dann aber nach § 301 Abs. 1 S. 1, 2 FamFG unverzüglich nachzuholen.
Die persönliche Anhörung dient nicht nur der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern hat vor allem den Zweck, dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen (BGH FamRZ 2016, 1663 = NJW 2016,3098 = MDR 2016,1089 = FuR 2016, 590).
Hinweis:
Sie ist auch unverzichtbar, wenn sich das Gericht in einem Verfahren betreffend die Aufhebung der Betreuung zur Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens entschließt und dieses Gutachten als Tatsachengrundlage für seine Entscheidung heranziehen will (BGH FamRZ 2016, 1922 = FuR 2016, 707).
Zum Erfordernis der persönlichen Anhörung in den verschiedenen Phasen des Betreuungsverfahrens siehe weiter BGH FamRZ 2016, 2089, 2092, 2093, 2095; NJW 2016, 2741, 2743, 2745; MDR 2016, 1455.
Lehnt der Betroffene die Befragung und körperliche Untersuchung durch den Sachverständigen ab, so kann jedoch, wie der BGH (FamRZ 2016, 1149 m. Anm. Seifert = MDR 2016, 1022 = FuR 2016, 475) ausführt, der persönliche Eindruck des Sachverständigen vom Betroffenen in Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden Unterlagen und den Angaben behandelnder Personen eine ausreichende Grundlage für ein Gutachten über die Notwendigkeit einer Betreuung darstellen.
3. Zwangsbehandlung und Unterbringung
a) Drohender erheblicher Gesundheitsschaden
Das BVerfG (FamRZ 2016, 1738 m. Anm. Uerpmann-Wittzack) stellt klar, dass gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Staat verpflichtet ist, hilfsbedürftigen Menschen, die im Hinblick auf ihre Gesundheitssorge unter Betreuung stehen und bei einem drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, notfalls auch gegen ihren natürlichen Willen Schutz durch ärztliche Versorgung zu gewähren. Dabei müssen strenge materielle und verfahrensrechtliche Anforderungen an eine solche Zwangsbehandlung die möglichst weitgehende Berücksichtigung der betroffenen Freiheitsrechte sicherstellen.
b) Dauer der Unterbringung
Gemäß § 1906 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, und ein entgegenstehender freier Wille des Betreuten nicht besteht. Der BGH (FamRZ 2016, 1065 m. Anm. Seifert = MDR 2016, 769 = FuR 2016, 479) weist darauf hin, dass die Prognose, welche Dauer für die Unterbringung zur Heilbehandlung erforderlich ist, regelmäßig auf Grundlage des einzuholenden Sachverständigengutachtens vorzunehmen ist.
c) Fehlende Krankheitseinsicht
Kriterien der freien Willensbestimmung sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und seine Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Ohne eine Krankheitseinsicht des Betroffenen ist eine freie Willensbestimmung nicht möglich (BGH FamRZ 2016, 807 = MDR 2016, 713 = FuR 2016, 479).
d) Alkoholabhängigkeit
Alkoholismus für sich gesehen ist keine psychische Krankheit bzw. geistige o...