Im Berufungsverfahren und übrigens auch im Revisionsverfahren gilt hinsichtlich der Kostenerstattung die Vorschrift des § 91 ZPO unbeschränkt, weil es insoweit an einer Bezugnahme in den §§ 64 Abs. 7, 72 Abs. 6 ArbbGG auf § 12a ArbGG fehlt. Mit einem besonderen Fall der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten im Berufungsverfahren hatte sich das BAG (RVGreport 2016, 109 [Hansens]) zu befassen.

 

Beispiel – nach BAG RVGreprot 2016, 109:

Die Klägerin hatte vor dem ArbG Dresden gegen die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung i.H.v. 203.000 EUR geltend gemacht. Die Klägerin ist Mitglied im Verband angestellter Akademiker und leitende Angestellte der chemischen Industrie e.V. (VAA). Der VAA, der nach seiner Satzung seinen Mitgliedern in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten Rechtsschutz gewährt, vertrat die Klägerin in der ersten Instanz vor dem ArbG. Dabei handelte der VAA durch den Assessor L., der auch über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügt. Im zweiten Rechtszug vor dem Sächs. LAG zeigte Herr L. die zweitinstanzliche Vertretung der Klägerin in seiner Funktion als Anwalt an. Die Parteien schlossen vor dem LAG einen Vergleich, in dem die Beklagte 9/10 der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs übernommen hat.

Im Kostenfestsetzungsverfahren machte die Klägerin im Berufungsverfahren entstandene Anwaltskosten geltend, die die Rechtspflegerin des ArbG antragsgemäß gem. § 106 Abs. 1 ZPO ausglich. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Sächsische LAG auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das BAG hat die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen und dabei die nachfolgenden Erwägungen angestellt.

a) Grundsatz: Anwaltskosten erstattungsfähig

Gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts in allen Prozessen zu erstatten. Diese Vorschrift bildet insoweit eine Ausnahme zu § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, als sie für ihren Anwendungsbereich von der grundsätzlich gebotenen Prüfung der Notwendigkeit entstandener Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entbinde (so auch BGH RVGreport 2014, 315 [Hansens] = AGS 2014, 300). Somit gelten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten.

Eine Partei kann sich deshalb im Prozess grundsätzlich anwaltlicher Hilfe bedienen, unabhängig davon, ob für das Einzelverfahren Anwaltszwang bestehe. Das BAG (a.a.O.) hat darauf hingewiesen, dass dies auch für eine rechtskundige Partei oder für eine Partei gilt, die über eine eigene Rechtsabteilung verfüge (s. BGH RVGreport 2014, 114 [Hansens] = AGS 2014, 51). Eine Partei ist auch nicht verpflichtet, eine kostenlose rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, die ihr etwa aufgrund einer Verbandsmitgliedschaft zustehe. Folglich ist im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Partei für das Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragen durfte und ob dies objektiv notwendig gewesen sei (s. BGH BRAGOreport 2003, 53 [Hansens] = AGS 2003, 219 m. Anm. Madert). Allein entscheidend ist, ob eine verständige Prozesspartei in der gleichen Situation ebenfalls einen Rechtsanwalt beauftragt hätte, was für einen Rechtsmittelgegner der Regelfall ist (BGH a.a.O.; BAG RVGreport 2008, 229 [Hansens]).

b) Notwendigkeit einzelner Maßnahmen des Prozessbevollmächtigten

§ 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO hindert allerdings nicht die Überprüfung, ob die einzelne Maßnahme des Prozessbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Außerdem kann die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ausnahmsweise dann nicht zweckentsprechend angesehen werden, wenn sie offensichtlich nutzlos gewesen sei.

c) Mögliche Vertretung durch Arbeitnehmer-/Arbeitgebervereinigung

Nach Auffassung des BAG (a.a.O.) kann die obsiegende Partei in arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren die Anwaltskosten auch dann erstattet verlangen, wenn eine Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG bereit gewesen wäre, die Vertretung unentgeltlich zu übernehmen. Auch hier ist allein die Frage maßgeblich, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als zweckentsprechende Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung anzusehen sei. Das ist für ein Rechtsmittelverfahren grundsätzlich zu bejahen. Ist der Rechtsanwalt Verbandsvertreter und ist er in dieser Eigenschaft für das vertretene Verbandsmitglied aufgetreten, muss die Gegenpartei die hierdurch entstandenen Kosten erstatten. Dies gilt nach Auffassung des BAG selbst dann, wenn der Verband im Unterliegensfall die Kosten des Rechtsanwalts tragen würde.

d) Anwaltskosten tatsächlich angefallen

Das BAG hat ferner darauf hingewiesen, dass der erstattungsberechtigten Partei die im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemachten Kosten tatsächlich erwachsen sein müssen. Hierfür ist jedoch nicht erforderlich, dass sie bereits bezahlt wurden. Vielmehr genügt es, dass der Erstattungsberechtigte für die Kosten hafte und eine Rechtspflicht zur Zahlung bestehe. Dies war hier der Fall, da die Klägerin Herrn...

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