1. Schonfristzahlung und ordentliche Kündigung

Kommt der Mieter in Zahlungsverzug, kann der Vermieter unter den jeweiligen Voraussetzungen der § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB bzw. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB das Mietverhältnis sowohl fristlos wie auch fristgerecht kündigen. Die fristlose Kündigung wird gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam, wenn der Mieter den Rückstand spätestens zwei Monate nach Zustellung der Räumungsklage zahlt. Über die Auswirkungen auf die ordentliche Kündigung wird schon lange rechtspolitisch diskutiert. Die 66. ZK des LG Berlin beteiligt sich mit Urteilen, die nicht der ganz herrschenden Auffassung entsprechen, immer wieder an dieser Diskussion. In einem ersten Versuch die Rechtsprechung zu ändern hatte die Zivilkammer die Meinung vertreten, dass die fristgerechte Kündigung bereits deshalb erfolglos sei, weil sie wegen der zuvor durch die fristlose Kündigung erfolgten Beendigung des Mietverhältnisses ins Leere ging (LG Berlin WuM 2017, 650). Der BGH (NZM 2018, 941) hat dies bekanntlich anders gesehen, da § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses fingiert. In der Folgezeit hat die Kammer sich dann immer wieder für die Auffassung stark gemacht, dass die Schonfristregelung trotz des eindeutigen Wortlauts des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch für die ordentliche Kündigung gelte. Die Revisionen gegen diese Entscheidungen hatten beim BGH erwartungsgemäß Erfolg. Der Senat ist bei seiner bisherigen Meinung geblieben (BGH, Urt. v. 13.10.2021 – VIII ZR 91/20, NZM 2022, 49; Urt. v. 19.9.2018 – VIII ZR 231/17, NZM 2018, 941; Urt. v. 10.10.2012 – VIII ZR 107/12, NZM 2013, 20; Urt. v. 16.2.2005 – VIII ZR 6/04, NZM 2005, 334; Urt. v. 11.1.2006 – VIII ZR 364/04, NZM 2006, 338; Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, NZM 2007, 35; Urt. v. 28.11.2007 – VIII ZR 145/07, NZM 2008, 121; Urt. v. 1.7.2015 – VIII ZR 278/13, NZM 2015, 658; Urt. v. 1.7.2020 – VIII ZR 323/18, NZM 2020, 834; Urt. v. 6.10.2014 – VIII ZR 321/14, WuM 2016, 225; Urt. v. 20.7.2016 – VIII ZR 238/15, WuM 2016, 682), dass die Schonfristzahlung grds. eine – hilfsweise – erklärte ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht unwirksam werden lässt. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gilt hier weder unmittelbar noch analog (BGH, Urt. v. 5.10.2022 – VIII ZR 307/21, GE 2022, 1308 = NZM 2023, 28 = MietPrax-AK § 569 BGB Nr. 13 m. Anm. Börstinghaus; ders., jurisPR-BGHZivilR 25/2022 Anm. 1; Sommer, MietRB 2022, 343).

2. Kündigungssperrfrist für umgewandelte Wohnungen im Fall des Tods des Mieters

Bei der Umwandlung vermieteter Wohnung in Eigentumswohnungen gilt gem. § 577a BGB eine Kündigungssperrfrist von mindestens drei und höchstens zehn Jahren. Sie beginnt mit der Veräußerung der Wohnung. Eine solche die Kündigungssperrfrist des § 577a Abs. 1, 2 BGB auslösende Veräußerung an einen Erwerber liegt aber regelmäßig – noch – nicht vor, wenn ein Miteigentumsanteil an einen bisherigen vermietenden Miteigentümer übertragen wird. Ist in der Person eines von mehreren Mietern einer Wohnung der Kündigungsschutz aus § 577a Abs. 1, 2 BGB bereits angelegt, war also diesem Mitmieter die Wohnung zum Zeitpunkt der Bildung des Wohnungseigentums schon überlassen, und wird das Mietverhältnis nach dessen Ableben mit dem überlebenden Mitmieter gem. § 563a Abs. 1 BGB fortgesetzt, tritt dieser auch bezüglich des Kündigungsschutzes an die Stelle des Verstorbenen und kann sich nach der erstmaligen Veräußerung des Wohnungseigentums gegenüber einer Eigenbedarfs- bzw. Verwertungskündigung des Erwerbers auf die Kündigungssperrfrist aus § 577a Abs. 1, 2 BGB berufen (BGH WuM 2022, 495 = GE 2022, 833 = NZM 2022, 653 = MDR 2022, 1147 = ZMR 2022, 865 = NJW 2022, 3631 = MietPrax-AK § 577a BGB Nr. 5 m. Anm. Eisenschmid; Drasdo, NJW-Spezial 2022, 546). Nach Ansicht des Senats ist die Verlängerung der Kündigungssperrfrist in Berlin durch die Kündigungsschutzklausel-Verordnung v. 13.8.2013 (GVBl. S. 488), welche die Kündigungssperrfrist nach Bildung und Veräußerung von Wohnungseigentum i.S.d. § 577a Abs. 1 BGB für das gesamte Gebiet von Berlin auf zehn Jahre festlegt, wirksam.

3. Fortsetzungsanspruch

Das soziale Mietrecht ist im Bereich des Kündigungsschutzes zweistufig aufgebaut. Zunächst kann der Vermieter ein Wohnraummietverhältnis nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat. Auf dieser Ebene findet eine Prüfung von Mieterinteressen noch nicht statt. Hat der Vermieter ein zur Kündigung berechtigendes Interesse, kann der Mieter ggf. die befristete oder unbefristete Fortsetzung verlangen, wenn er sich auf Härtegründe berufen kann, die auch unter Berücksichtigung der Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sind.

4. Härtegründe bei Suizidgefahr

Das Vorliegen einer Härte setzt voraus, dass sich die für die Beklagte drohenden Nachteile von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben. Dabei ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch die Unterstützung des Umfelds des Mieters bzw. durch begleitende ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen mindern lassen. Dabei kann vom Mieter auch jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisi...

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