In vielen Vergütungsfestsetzungsverfahren äußert sich der zu dem Vergütungsfestsetzungsantrag gem. § 11 Abs. 2 S. 2 RVG anzuhörende Auftraggeber nicht. In diesem Fall hat der Rechtspfleger die formalen Voraussetzungen des Vergütungsfestsetzungsantrags zu prüfen und anhand des Akteninhalts zu entscheiden, ob die von dem Rechtsanwalt geltend gemachten Gebühren und Auslagen entstanden sind und sie zu den Kosten des gerichtlichen Ausgangsverfahrens (s. § 11 Abs. 1 S. 1 RVG) gehören. Auf dieser Grundlage hat der Rechtspfleger dann eine sachliche Entscheidung über den Vergütungsfestsetzungsantrag zu erlassen, die meist dahin geht, dass ein dem Antrag im vollen Umfang oder teilweise stattgebender Vergütungsfestsetzungsbeschluss ergeht, der dann dem Auftraggeber zuzustellen ist (§ 11âEUR™Abs. 2 S. 3 RVG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 3 ZPO). Aus diesem Beschluss kann dann der Rechtsanwalt gegen den Auftraggeber nach Ablauf einer zwei Wochen ab Zustellung betragenden Wartefrist (§ 11âEUR™Abs. 2 S. 3 RVG i.V.m. § 798 ZPO) die Zwangsvollstreckung betreiben.

In vielen Fällen erhebt der Auftraggeber als Antragsgegner des Vergütungsfestsetzungsantrags nach erfolgter Anhörung Einwendungen. Natürlich kann auch der Rechtsanwalt Einwendungen erheben, wenn der Vergütungsfestsetzungsantrag im Ausnahmefall einmal von seinem Mandanten gestellt worden ist. In diesem Fall hat der Rechtspfleger zunächst zu prüfen, welcher Art diese Einwendungen sind. Wie der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG Einwendungen des Antragsgegners behandelt, richtet sich zunächst einmal danach, um welche Art von Einwendungen es sich handelt.

a) Begriff der gebührenrechtlichen Einwendungen

Zunächst kann der Antragsgegner gebührenrechtliche Einwendungen erheben. Gebührenrechtlich ist eine Einwendung oder eine Einrede, wenn sich der Antragsgegner darauf beruft, die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemachten Gebühr oder Auslage nach dem RVG seien nicht erfüllt. Hierzu zählt etwa der Einwand, der Anwalt habe nach einer unzutreffenden Ziffer des Vergütungsverzeichnisses zum RVG abgerechnet oder die geforderte Vergütung sei nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden.

Beispiele:

  • Der Tatbestand der von dem Antragsteller angeführten Gebühren- oder Auslagenvorschrift nach dem RVG sei nicht erfüllt.
  • Der Auftraggeber bestreitet, dass der Rechtsanwalt am Abschluss des geschlossenen Einigungsvertrages mitgewirkt hat. Dies stellt eine gebührenrechtliche Einwendung dar, da die Ursächlichkeit der anwaltlichen Mitwirkung beim Abschluss des Einigungsvertrages tatbestandlich Voraussetzung der Einigungsgebühr ist, wie sich aus Abs. 1 und 2 der Anm. zu Nr. 1000 VV RVG ergibt (s. BGH, Beschl. v. 29.4.2020 – XII ZB 536/19, AGS 2020, 330, zfs 2020, 407 m. Anm. Hansens, JurBüro 2020, 474).
  • Ebenfalls gebührenrechtlicher Natur ist der Einwand, der Rechtsanwalt habe nach einer unzutreffenden Vorschrift des RVG abgerechnet.
  • Weiteres Beispiel für einen gebührenrechtlichen Einwand ist das Vorbringen des Antragsgegners, es liege eine unzulässige Nachliquidation vor (s. KG, Beschl. v. 21.9.1971 – 1 W 1782/71, JurBüro 1971, 1029).
  • Ebenfalls gebührenrechtlich ist der Einwand, die Vergütung sei noch nicht fällig (s. Hansens, JurBüro Sonderheft 1999, 22). Der Auftraggeber schuldet dem Rechtsanwalt die Vergütung erst, wenn einer der in § 8 RVG aufgeführten Fälligkeitstatbestände erfüllt sind, es sei denn, der Anwalt habe lediglich einen Vorschuss nach § 9 RVG verlangt. Außerdem ist der Vergütungsfestsetzungsantrag gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RVG erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist.
  • Ebenfalls gebührenrechtlicher Natur ist der Einwand, der Rechtsanwalt habe eine vom Gesetz vorgeschriebene Gebührenanrechnung nicht berücksichtigt, wie etwa die Anrechnung der Verfahrensgebühren Nr. 3305 oder 3307 VV RVG für die Vertretung im Mahnverfahren auf die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG für den nachfolgenden Rechtsstreit.
  • Ebenso gebührenrechtlich ist der Einwand, der Rechtsanwalt habe die geltend gemachte Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG deshalb nicht verdient, weil er den gerichtlichen Termin nicht wahrgenommen habe (s. Vorbemerkung 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG).
  • Gleiches gilt für das Vorbringen, der Rechtsanwalt habe keinen Schriftsatz mit Sachantrag oder Sachvortrag eingereicht (v. Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG), sodass ihm nicht die geltend gemachte volle Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, sondern nur die ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV RVG angefallen sei.

b) Begriff der außergebührenrechtlichen Einwendungen

Im Unterschied hierzu ist eine Einwendung oder Einrede i.d.R. dann nicht gebührenrechtlicher Art, wenn sie ihren Grund in materiell-rechtlichen Vorschriften hat oder auf besonderen Abreden zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gestützt wird (s. Hansens zfs 2020, 42, 43). Solche außergebührenrechtlichen Einwendungen i.S.v. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG bedürfen keiner Substantiierung und erst recht keiner Schlüssigkeit (s. LAG Hessen, Beschl. v. 3.8.2015 – 2 Ta 289/15, RVGreport 2016, 54 [Hansens]; OLG Koblenz, Besc...

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