Die aktuelle Lage bei der Bekämpfung sog. Umsatzsteuerkarusselle ist nach Ansicht der Strafverfolgungsbehörden unbefriedigend. Innerhalb Deutschlands dauere es im Regelfall vier bis 16 Wochen, um von den Banken Informationen zu Empfangskonten von Geldtransaktionen zu erhalten, erklärte ein Oberstaatsanwalt von der Staatsanwaltschaft München I in einem öffentlichen Fachgespräch des Bundestags-Finanzausschusses Mitte Januar. Erst dann könne die Staatsanwaltschaft an die Bank des Empfängerkontos herantreten, um dort die erforderlichen Informationen bzw. die Tatbeute sicherstellen zu lassen, sofern sie sich nach dieser langen Zeit noch auf dem Konto befinde und nicht bereits weiter transferiert worden sei.

In der Europäischen Union erhalte man Kontoauskünfte i.d.R. innerhalb von 16 Wochen, von Drittstaaten frühestens nach einem Jahr, teilweise aber überhaupt nicht. Um die viel zu langen Reaktionszeiten der deutschen Banken auf Auskunftsersuchen der Staatsanwaltschaften zu verringern, sollte eine generelle Frist von zwei Wochen ins Gesetz aufgenommen werden, empfahl der Staatsanwalt. Auch sprach er sich dafür aus, die Befreiung von Existenzgründern von der monatlichen Umsatzsteuer-Erklärungspflicht einzuschränken.

Wie Umsatzsteuerkarusselle funktionieren, erläuterte ein weiterer Steuerexperte in seiner Stellungnahme. Danach importiert ein "Missing trader" netto aus einem anderen EU-Staat und verkauft brutto im Inland. Damit hinterziehe er je nach Steuersatz 17 bis 25 % Mehrwertsteuer und fülle auf Verbraucherkosten seine "illegale Kriegskasse". Nach rund drei Monaten schließe er vor der ersten Kontrolle (Missing) das Geschäft, um woanders wieder aufzutauchen. Was gehandelt werde, sei irrelevant; es gehe nur um die Steuerhinterziehung. Ein Betrugskarussel baue auf "Missing trader" als Grundbaustein auf. Über eine Kette werde dieselbe Ware mehrfach über EU-Grenzen gespielt und Mehrwertsteuer hinterzogen. Welche Waren für Umsatzsteuerkarusselle genutzt werden, schilderte ein Steuerfahnder aus Bonn: "Dauerbrenner" seien der Auto- und Elektronikhandel, aber auch Schnaps, Wein und Sekt würden benutzt. Er wies darauf hin, dass die Karusselle nicht nur zu Ausfällen bei der Umsatzsteuer, sondern auch bei Ertragssteuern führen.

Die Experten zeigten auch Möglichkeiten auf, den Umfang des Steuerbetrugs mit solchen Karussellen zu reduzieren: So wäre es möglich, die Empfänger der Waren zu Steuerschuldnern zu machen. Dann müsste der Empfänger die Umsatzsteuer nicht mehr an seinen Lieferanten, sondern direkt an den Fiskus zahlen. Denkbar seien auch Echtzeit-Verpflichtungen zur Meldung von Umsätzen, was im Zeitalter der Digitalisierung kein Problem darstelle.

[Quelle: Bundestag]

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