Gemäß § 406g Abs. 3 S. 1 StPO ist dem Verletzten unter den in § 397a Abs. 1 Nr. 45 StPO bezeichneten Voraussetzungen auf Antrag ein psychosozialer Prozessbegleiter beizuordnen. Ein Entscheidungsspielraum des Gerichts besteht in diesem Fall nicht („ist [ ... ] beizuordnen“). Die Vorschrift hat in besonderer Weise das Wohl kindlicher und jugendlicher Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten im Blick und schafft für minderjährige Opfer einer der Katalogtaten einen Rechtsanspruch auf kostenlose Beiordnung.

Ihr Anwendungsbereich ist aber nicht auf minderjährige Zeugen beschränkt. § 406g Abs. 3 S. 1 StPO verweist seinem Wortlaut nach vollumfänglich auf § 397a Abs. 1 Nr. 45 StPO, wonach die Bestellung eines Beistands nicht nur zulässig ist, wenn der Verletzte zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sondern alternativ auch dann, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann. Zwar war eine Erstreckung des Beiordnungsanspruchs auf Erwachsene vom Gesetzgeber wohl nicht gewollt, nachdem die Begründung des Gesetzentwurfs ausführt, dass nur minderjährige Opfer einen Anspruch auf kostenlose Prozessbegleitung hätten (BT-Drucks 18/4621, S. 31); der – eindeutige – Gesetzeswortlaut gibt indes für eine Beschränkung auf Minderjährige nichts her. Es wird eben nicht nur teilweise, sondern umfassend auf § 397a Abs. 1 Nr. 45 StPO verwiesen.

Zudem ist eine solche Einschränkung auch sachlich nicht gerechtfertigt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit setzt – gerade bei Opfern schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte – keine Minderjährigkeit voraus. Ein weitreichender Ausschluss volljähriger Verletzter liefe daher dem Zweck der Neuregelungen zuwider.

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