1. Bedarfsbestimmung nach Wiederheirat des Unterhaltspflichtigen

Das OLG Koblenz (FamRZ 2020, 1998) stellt klar, dass sich der Bedarf der geschiedenen Ehefrau nach den Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Scheidung richtet und sie auch geprägt worden sind durch damals bereits bestehende Unterhaltansprüche der späteren Ehefrau des Unterhaltspflichtigen nach § 1615l Abs. 2 BGB und ihres vom Unterhaltspflichtigen stammenden Kindes. Kann der Unterhaltspflichtige in der Leistungsphase durch die Berücksichtigung des Unterhaltsanspruchs der zweiten Ehefrau nicht mehr den vollen eheangemessenen Unterhalt der geschiedenen Ehefrau decken und ist sein Selbstbehalt nicht mehr gewahrt, sind die vorhandenen Mittel im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1581 BGB angemessen zu verteilen.

2. Einsatz einer Erbschaft

Gemäß § 1577 Abs. 3 BGB braucht der geschiedene Ehegatte zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Das OLG Karlsruhe (FamRZ 2020, 2001) hat im Rahmen der vorzunehmenden Billigkeitsprüfung den Einsatz einer Erbschaft nach dem Tode eines Elternteils bejaht, jedoch die Erbschaft vermindert um eine Erbschaft des Unterhaltspflichtigen. Den Restbetrag hat es auf die statistische Lebenserwartung verteilt, sowie die Versorgungssituation hinsichtlich der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt.

3. Indiz für krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit

Ein geschiedener bedürftiger Ehegatte kann gem. § 1572 BGB Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen verlangen, wenn die Voraussetzungen ohne Unterbrechung im Zeitpunkt der Scheidung oder am Ende eines anderen Unterhaltsanspruches vorlagen. Dies setzt nicht voraus, dass die Erwerbsunfähigkeit ehebedingt ist. Die erforderliche lückenlose Unterhaltskette wird nicht dadurch unterbrochen, dass wegen Leistungsunfähigkeit des Unterhaltspflichtigen kein Unterhalt gezahlt oder gefordert worden ist (vgl. BGH FamRZ 2016, 203).

In Abweichung von der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 2017, 109 betr. die Erwerbsobliegenheit eines seinem minderjährigen Kind unterhaltspflichtiger Rentenbeziehers) vertritt das OLG Koblenz (FamRZ 2020, 1262 m. Anm. Borth) die Auffassung, dass der Umstand, dass einem geschiedenen Ehegatten eine Erwerbsminderungsrente i.S.d. § 43 Abs. 2 SGB VI durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (bereits im Zeitpunkt der Scheidung) bewilligt wurde, indiziere grds. seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf eine unterhaltsrechtlich bestehende Erwerbsobliegenheit.

Hat ein unterhaltsbegehrender Ehegatte in einem früheren familiengerichtlichen Verfahren den gestellten Antrag zurückgenommen, kann – wie das OLG klarstellt – allein aus dem Umstand der Rücknahme nicht auf einen Verzichtswillen geschlossen werden, künftig keinen Unterhalt mehr zu verlangen.

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