1. Fortschreibung der Bedarfsbeträge

Gemäß § 1610 Abs. 1 BGB bemisst sich der Bedarf nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Hierbei kommt es auf die Lebensstellung beider Eltern an (vgl. BGH FamRZ 2017, 437). Die Unterhaltspflicht wird hierbei aber begrenzt auf den Betrag, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Zur Bemessung wird nach einhelliger vom BGH gebilligter Praxis die Düsseldorfer Tabelle (s. aktuelle Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.2021, in ZAP 1/2021, F. 11, S. 1589 ff.) verwendet, die nach Altersstufen und zehn Einkommensgruppen gestaffelt ist bis zu einem Unterhalt i.H.v. 160 % des gesetzlichen Mindestunterhalts bei einem Spitzeneinkommen (von z. Zt. 5.501 EUR). Für eine Bemessung bei höheren Einkommen wird auf die Umstände des Einzelfalles verwiesen. Der BGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung eine Fortschreibung der Tabellenwerte für nicht sachgerecht erachtet und eine konkrete Bedarfsermittlung gefordert.

In Anlehnung an seine neuere Rechtsprechung zum Ehegattenunterhalt nach der Quotenmethode (vgl. BGH FamRZ 2020, 21) ist er nunmehr davon abgewichen (BGH FamRZ 2020 = MDR 2020, 1447 = ZAP EN-Nr. 593/2020; s. dazu auch Anm. Viefhues, ZAP 1/2021, F. 11 R, S. 1091 ff.). Eine begrenzte Fortschreibung der Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrages wird vom BGH nicht mehr ausgeschlossen.

2. Leistungsfähigkeit

a) Obliegenheit

In der Entscheidung zur Befugnis des Obhutselternteils zur Geltendmachung des Kindesunterhalts (BGH FamRZ 2020, 991) zeigt der BGH instruktiv die Grundsätze für die Anforderungen bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auf.

Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gem. § 1603 Abs. 3 S. 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber allerdings verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und dem Unterhalt der Kinder gleichmäßig zu verwenden. Diese gesteigerte Unterhaltspflicht beinhaltet eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Hieraus folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltspflichtige eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nicht nur die tatsächlichen, sondern auch erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2020, 1206). Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus. Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2020, 1264).

b) Darlegungslast

Macht der seinem minderjährigen Kind unterhaltspflichtige Schuldner seine fehlende Leistungsfähigkeit geltend, hat er im Hinblick auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit zur schlüssigen Darstellung des ihm möglichen Einkommens konkrete Ausführungen zu seiner Vorbildung, seinem beruflichen Werdegang und ggf. zu seinen altersbedingten Einschränkungen bei der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit zu machen (OLG Brandenburg FamRZ 2020, 1266).

3. Auskunftsanspruch gegen den unbegrenzt leistungsfähigen Elternteil

Nach § 1605 Abs. S. 1 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Eine Auskunftsverpflichtung besteht nur dann nicht, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben kann. Der BGH (MDR 2020, 1447 = NJW 2020, 3721 m. Anm. Born) hat hierzu entschieden, dass ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig” entfällt. Die Bemessung des Unterhalts ist nicht allein von der Leistungsfähigkeit abhängig. Maßgebend ist in erster Linie der Unterhaltsbedarf, der sich nach der von den Eltern abgeleiteten Lebensstellung des Kindes richtet (s. hierzu oben IV. 1). Für den Unterhaltsbedarf ist der Unterhaltsberechtigte darlegungs- und beweispflichtig. Im Regelfall kann der Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle ermittelt werden. Bei dem den Spitzenbetrag übersteigendem Einkommen darf der Kindesbedarf nicht faktisch auf den für die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden.

Außerdem kann neben den Tabellenbeträgen ein Mehrbedarf für solche Bedarfspositionen treten, welche ihrer Art nach nicht in den Tabellenbedarf einkalkuliert sind. Übersteigt das Einkommen des ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge