Verständigungsfragen (§ 257c StPO) spielen derzeit in der Rechtsprechung des BGH keine große Rolle. Hinzuweisen ist allerdings auf das Urteil des BGH vom 25.7.2017 (5 StR 176/17, StRR 1/2018, 10), in dem der BGH zur (potentiellen) Selbstbindung des Gerichts nach einer "missglückten" Verständigung Stellung genommen hat. Das Urteil behandelt die Frage, ob dann, wenn eine Verständigung i.S.d. § 257c StPO nicht zustande gekommen ist, das Gericht an seine während der "Verständigungsverhandlungen" geäußerten Strafmaßvorstellungen gebunden ist.

Nach dem Sachverhalt war in einem Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen das BtM-Gesetz über eine Verständigung (§ 257c StPO) "verhandelt" worden, die dann letztlich nicht zustande gekommen ist. "Gerungen" wurde um die Höhe der Strafe. Von der Verteidigung sind zwei Jahre auf Bewährung in die Diskussion eingebracht worden, die Staatsanwaltschaft äußerte eine Strafvorstellung von drei Jahren. Die Strafkammer hat eine Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und zwei Jahren und vier Monaten und auch eine Strafaussetzung zur Bewährung angesprochen. Von der Vorsitzenden der Strafkammer wurde wiederholt im Protokoll festgehalten, dass es zu keiner Verständigung kommen werde. Der Angeklagte legte dann ein Geständnis in Form einer schriftlich vorbereiteten Verteidigererklärung ab, die er sich zu eigen machte. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte danach noch mehrere Beweiserhebungen. Die Strafkammer lehnte diese Anträge ab. Zur Begründung führte sie u.a. aus: "Um Anhaltspunkte für die Strafzumessung zu gewinnen, namentlich für eine Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind die darin unter Beweis gestellten Tatsachen ungeeignet ... In diesem Fall wäre das vom Angeklagten abgegebene Geständnis nicht verwertbar. Denn der Angeklagte hat sein Geständnis aufgrund der Zusicherung der Kammer, im Falle eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zu verhängen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt würde, abgegeben." Verurteilt hat die Strafkammer dann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg.

Der BGH (a.a.O.) hat beanstandet, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Strafe von einer tatsächlich nicht bestehenden Bindung an die von ihr angenommene Zusicherung einer bewährungsfähigen Strafe ausgegangen sei. Außerhalb einer Verständigung gem. § 257c StPO bestehe aber keine Bindung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekommens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen (vgl. u.a. BGH NJW 2011, 3463, 3464 = StRR 2011, 469); erst recht sei es nicht verpflichtet, die dort angesprochene Strafuntergrenze zu verhängen. Ein Fall des § 257c StPO liege hier mangels Zustimmung der Staatsanwaltschaft indes nicht vor. Nachdem die Staatsanwaltschaft in den verständigungsbezogenen Vorgesprächen jeweils angekündigt hatte, ihre gem. § 257c Abs. 3 S. 4 StPO erforderliche Zustimmung nicht zu erteilen, habe die Vorsitzende in den von ihr zu Protokoll gegebenen Vermerken zu Recht stets betont, dass eine Verständigung deshalb nicht zustande komme. Auch der am vierten Hauptverhandlungstag protokollierte Hinweis, dass die Strafkammer bei ihrer "Zusage" nach dem letzten Rechtsgespräch bleibe, lasse sich trotz seiner missverständlichen Formulierung auf den in jenem Gespräch von ihr vorgeschlagenen Strafrahmen beziehen und belege noch keine von ihr schon zu diesem Zeitpunkt als bindend verstandene Erklärung. Denn im unmittelbaren Fortgang der Verhandlung habe sie eine weitere verständigungsbezogene Erörterung durchgeführt, als deren Ergebnis die Vorsitzende erneut feststellte, dass es zu keiner Verständigung komme. Aufgrund der Formulierung in dem Beweisbeschluss, wonach die Strafkammer dem Angeklagten eine zur Bewährung auszusetzende Strafe "zugesichert" habe, sei jedoch zu besorgen, dass sie gleichwohl schon vor den Schlussvorträgen der Verfahrensbeteiligten und der nachfolgenden Urteilsberatung von der verbindlichen Zusage einer solchen Strafe ausgegangen sei. Für eine von ihr angenommene Selbstbindung spreche auch, dass sie für die knapp 13 kg Marihuana betreffende Einfuhrfahrt tatsächlich eine solche Strafe verhängt hat. Dies habe zu einer Verletzung von § 46 StGB geführt.

 

Hinweis:

Meines Erachtens ist es zutreffend, wenn der BGH eine Selbstbindung der Strafkammer verneint. Solange eine Verständigung nach § 257c StPO nicht zustande gekommen ist, ist das Gericht an geäußerte Strafmaßvorstellungen nicht gebunden (vgl. zur Verständigung eingehend Burhoff, HV, Rn 137 ff. m.w.N.).

Aufgehoben hat der BGH (a.a.O.) aber nur den Strafausspruch der landgerichtlichen Verurteilung. Auswirkungen auf den Schuldspruch hat er verneint. Insbesondere hat er das Geständnis des Angeklagten als verwertbar angesehen. Denn dieses habe der Angeklagte in einem Zeitpunkt abgelegt, in dem nur der in dem Verständigungsgespräch vom LG vorgeschlagene Strafrahmen im Raum ...

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