Eine zwar nicht auf die Gesetzesreform zurückzuführende, aufgrund ihrer Bedeutung für die Praxis an dieser Stelle aber gleichwohl zu erwähnende Entwicklung in der Rechtsprechung betrifft die Verteidigerbestellung in Verfahren wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften. Nach Auffassung des LG Halle (Beschl. v. 12.8.2020 – 10a Qs 77/20) hat in solchen Fällen auch dann eine Beiordnung zu erfolgen, wenn weder die Straferwartung noch die Schwierigkeit der Rechtslage eine solche gebieten. Die Notwendigkeit der Verteidigung ergebe sich nämlich aus der Schwierigkeit der Sachlage nach § 140 Abs. 2 Alt. 3 StPO, dem Beschuldigten sei ein Verteidiger zur Wahrnehmung des Akteneinsichtsrechts beizuordnen. Einer Akteneinsicht durch den Beschuldigten selbst, wie sie seit dem 1.1.2018 grds. möglich ist, stünde in derartigen Verfahren § 147 Abs. 4 S. 1 StPO entgegen; es lägen überwiegende schutzwürdige Interessen vor. Eine Einsicht des Beschuldigten in Beweismittelbände zu kinderpornografischen Abbildungen betreffe den Intimbereich der abgebildeten Personen, welcher vor der Hauptverhandlung gewahrt werden solle. Ohne eine Einsichtnahme in die Bilder als wesentliches Beweismittel sei eine ausreichende Verteidigung für den Beschuldigten aber nicht möglich. Insoweit habe der Verteidiger die Abbildungen zu sichten und den Beschuldigten über seine Erkenntnisse zu unterrichten (a.A. LG Ansbach, Beschl. v. 12.10.2020 – 3 Qs 49/20 = StRR 12/2020, 27 m. Anm. Burhoff, das freilich die Belange der Tatopfer nicht hinreichend berücksichtigt).

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