Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat im Januar mit einer auch von der Tagespresse beachteten Erklärung vor einem breiten Einsatz von Gesichtserkennungssystemen an Flughäfen und Bahnhöfen gewarnt. Anlass des Vorstoßes waren Pläne aus dem Bundesinnenministerium (BMI), die Kompetenzen der Bundespolizei entsprechend zu erweitern. "Es ist zweifelhaft, ob eine Rechtsgrundlage geschaffen werden kann, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht", begründete Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied des DAV-Ausschusses Gefahrenabwehrrecht, die Bedenken des Vereins. Bereits zum Start des umstrittenen Pilotprojekts zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz in Berlin hatte der DAV massive Kritik geäußert (s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 2017, 895). Ein Scannen dieses Ausmaßes führe zu einem nicht hinnehmbaren Gefühl des Überwachtwerdens und der Einschüchterung. Es stünden, wie schon beim Testlauf am Südkreuz, hier folgende Fragen im Raum: Wie fehleranfällig ist das System? Können Missbrauch und Manipulation der Technik verhindert werden? Für wie lange, durch wen und wo werden diese Daten gespeichert?

Der DAV kritisiert am Testlauf in Berlin u.a. eine mangelnde Diversität der Testpersonen (Alter, Geschlecht, Ethnie), die eingesetzten Vergleichsbilder und den parallelen Einsatz gleich dreier Systeme. Aus diesen Gründen seien die nach dem Testlauf am Berliner Südkreuz "als Erfolg verkauften Zahlen" (rund 80 % Trefferquote) nicht nur nach empirischen Grundsätzen zweifelhaft, sie hielten auch einem Real-Einsatz nicht stand und böten daher eine trügerische Sicherheit. Hinzu komme eine Falsch-Positiv-Rate von 0,67 % – bei rund 200.000 Fluggästen würden allein am Frankfurter Flughafen jeden Tag 1.340 unbescholtene Menschen einen falschen Alarm auslösen und unrechtmäßig ins Visier der Ermittler geraten. Dies könne, so der DAV, nicht im Sinne des Rechtsstaats sein.

[Quelle: DAV]

Inzwischen hat der Bundesinnenminister Seehofer den entsprechenden Passus wieder aus der Reform des Bundespolizeigesetzes zurückgezogen. Es seien noch "einige Fragen rund um die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Fahndungstechnik offen geblieben", so der Minister.

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