Ebenso wie bei Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV RVG fällt auch in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen nach Rahmengebühren abgerechnet wird, im Falle einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 S. 1 SGG nur noch dann eine Terminsgebühr an, wenn gegen den Gerichtsbescheid Antrag auf mündliche Verhandlung (§ 105 Abs. 2 SGG) gestellt werden kann. Das wiederum ist dann der Fall, wenn eine Berufung nicht gegeben ist, also wenn die Entscheidung des SG weder kraft Gesetzes berufungsfähig ist, noch die Berufung zugelassen wurde (s. § 144 SGG). Ist dagegen der Gerichtsbescheid mit der Berufung anfechtbar und scheidet demzufolge ein Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 SGG aus, so entsteht keine fiktive Terminsgebühr (Bayerisches LSG NZS 2016, 960).

Die Beschränkung der Terminsgebühr auf die Fälle, in denen ein Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid nicht gegeben ist, ist verfassungsgemäß (Sächsisches LSG AGS 2016, 67 = NZS 2015, 960).

 

Beispiel 5: Entscheidung durch berufungsfähigen Gerichtsbescheid

Das Sozialgericht weist die Klage durch Gerichtsbescheid ab und lässt die Berufung zu. Eine Berufung wird jedoch nicht eingelegt.

Eine Terminsgebühr entsteht nicht, da eine mündliche Verhandlung nicht hätte beantragt werden können. Es verbleibt bei der Verfahrensgebühr.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   300,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 320,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   60,80 EUR
  Gesamt:   380,80 EUR
 

Beispiel 6: Entscheidung durch nicht berufungsfähigen Gerichtsbescheid (I)

Das Sozialgericht weist die Klage durch Gerichtsbescheid ab. Die Berufungssumme ist nicht erreicht; die Berufung ist auch nicht zugelassen worden.

Da der Kläger jetzt nach § 105 Abs. 2 SGG eine mündliche Verhandlung hätte beantragen können, entsteht für seinen Verfahrensbevollmächtigten eine Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 2 zu Nr. 3106 VV RVG zu. Die Höhe der Terminsgebühr beläuft sich gem. Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV RVG auf 90 % der Verfahrensgebühr (s.u. 8.).

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG   300,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG   270,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme 590,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   112,10 EUR
  Gesamt:   702,10 EUR

Strittig ist, ob die Terminsgebühr für den Anwalt schon dann anfällt, wenn eine der Parteien gegen den Gerichtsbescheid Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann oder ob der Anwalt die Terminsgebühr nur dann verdient, wenn der eigene Mandant den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann, dass also eine fiktive Terminsgebühr ausscheidet, wenn der Mandant gewonnen hat und für ihn mangels Beschwer der Antrag auf mündliche Verhandlung nicht eröffnet ist.

Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit zu dieser Frage sind bislang noch nicht veröffentlicht. Im vergleichbaren Fall der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird eine (fiktive) Terminsgebühr bei einem vollständigen Obsiegen durch den vom Anwalt vertretenen Mandanten abgelehnt, da er mangels Beschwer keinen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann (VG Schleswig-Holstein AGS 2016, 4 = NJW-Spezial 2016, 124).

Nach Auffassung des VG Regensburg (AGS 2016, 461) soll auch die Möglichkeit eines Antrags auf Zulassung der Berufung einer fiktiven Terminsgebühr entgegenstehen. Das ist sicherlich unzutreffend, weil ein Antrag auf mündliche Verhandlung auch dann gestellt werden kann, wenn die Zulassung der Berufung beantragt werden kann. Eine unterlegene Partei muss sich nicht auf die Unwägbarkeiten eines Zulassungsverfahrens einlassen.

Nach zutreffender Ansicht kommt es nur darauf an, dass eine der Parteien den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann. Der Tatbestand der Anm. S. 1 Nr. 2 zu Nr. 3106 VV RVG differenziert insoweit nicht. Entscheidend ist nur, dass ein Gerichtsbescheid ergangen ist.

 

Beispiel 7: Entscheidung durch nicht berufungsfähigen Gerichtsbescheid (II)

Das Sozialgericht gibt der Klage durch Gerichtsbescheid statt. Die erforderliche Berufungssumme wird nicht erreicht; die Berufung ist auch nicht zugelassen.

Nach zutreffender Auffassung ist abzurechnen wie in Beispiel 6. Dass nur die verurteilte Behörde den Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können, ist unerheblich. Die Gegenauffasung würde dagegen rechnen wie in Beispiel 5.

Strittig ist ferner, ob die Terminsgebühr bereits mit Erlass des Gerichtsbescheids entsteht oder ob es darüber hinaus erforderlich ist, dass der Gerichtsbescheid auch rechtskräftig wird. Nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGG ist vorgesehen, dass gegen einen Gerichtsbescheid Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden kann, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. Wird dieser Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt, wird der Gerichtsbescheid wirkungslos (§ 105 Abs. 3 SGG). Das Gericht entscheidet dann durch Urteil. Hier kann es vorkommen, dass sich das Verfahren nach dem Antrag auf mündliche Verhandlung erledigt, bevor es zum gerichtlichen Termin gekommen ist. ...

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