a) Statthaftigkeit

Die sofortige Beschwerde nach § 793 Abs. 1 ZPO ermöglicht es, Entscheidungen (zur Abgrenzung zwischen Entscheidung und Vollstreckungsmaßnahme gilt das oben Gesagte, vgl. III. 1.), die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, vor Eintritt der formellen Rechtskraft durch eine höhere Instanz überprüfen zu lassen. Sie ist der Rechtsbehelf gegen Entscheidungen

  • des Vollstreckungsgerichts im Erinnerungsverfahren (s.o. III. 1.),
  • des Prozessgerichts nach den §§ 887, 888, 890 ZPO,
  • des Richters am Amtsgericht im Rahmen des § 758a ZPO,
  • des Rechtspflegers, die dieser im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens trifft, § 11 Abs. 1 RPflG sowie
  • des Richters am Vollstreckungsgericht, die dieser anstelle des an sich zuständigen Rechtspflegers, etwa nach den §§ 5, 6 RPflG getroffen hat.

Zu beachten bleibt die Besonderheit der Fälle, in denen das Grundbuchamt als Vollstreckungsorgan tätig wird (§§ 867, 866 ZPO). Diese Aufgaben sind ebenfalls dem Rechtspfleger übertragen (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG). Hier wird das Rechtsbehelfssystem der ZPO durch § 71 GBO modifiziert: Rechtsbehelf ist die Grundbuchbeschwerde (§ 11 Abs. 1 i.V.m. § 71 GBO; s.u. III. 4.).

 

Hinweis:

Die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO findet auch dann statt, wenn das Insolvenzgericht aufgrund besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet (z.B. zur Massezugehörigkeit gem. § 36 Abs. 4 InsO; bei Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung durch Insolvenzgläubiger gem. § 89 Abs. 3 InsO, bei Herausgabevollstreckung mit Eröffnungsbeschluss gem. § 148 InsO; st. Rspr. z.B. BGH NZI 2006, 246; 2006, 699).

Die sofortige Beschwerde ist nur gegen Beschlüsse, nicht gegen Urteile gegeben. Sie darf nicht gesetzlich ausgeschlossen sein (vgl. §§ 707 Abs. 2 S. 2, 719 Abs. 1 ZPO). Sie ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, oder beim Beschwerdegericht einzulegen (§ 569 Abs. 1 ZPO). Die sofortige Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses einzulegen (§ 577 Abs. 2 S. 1 ZPO).

b) Beschwerdebefugnis

Die sofortige Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer nach seinem Vortrag durch die angegriffene Entscheidung beschwert, also in seinen eigenen Rechten verletzt ist (Beschwerdebefugnis). Das kann im Einzelfall der Gläubiger, der Schuldner oder auch ein Dritter (z.B. der Drittschuldner) sein. Gegen Entscheidungen über Kosten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt (ab 200,01 EUR), § 567 Abs. 2 ZPO. Das Rechtsschutzinteresse ist gegeben von dem Beginn der Zwangsvollstreckung bis zur Beendigung derselben.

c) Zuständigkeit

Sachlich zuständig zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist das im Rechtszug nächsthöhere Gericht (§ 568 Abs. 1 ZPO). Dem Ausgangsrichter sowie -rechtspfleger (iudex a quo) wird durch die Einräumung der Abhilfemöglichkeit (§ 572 Abs. 1 S. 1 ZPO) die Gelegenheit gegeben, seine Entscheidung nochmals zu überprüfen, sie kurzerhand zurückzunehmen oder zu berichtigen. Die Abhilfebefugnis dient der Selbstkontrolle des Gerichts und erhält den Betroffenen die Instanz, was insbesondere in den Fällen der Verletzung rechtlichen Gehörs sachgerecht ist. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, ist sie unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen (§ 572 Abs. 1 ZPO).

d) Begründetheit

Die Beschwerde ist begründet, wenn die angefochtene Entscheidung verfahrensmäßig nicht ordnungsgemäß zustande gekommen oder inhaltlich nichtzutreffend ist.

 

Hinweis:

Gemäß § 571 Abs. 2 ZPO kann die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel – sprich neue Tatsachen – gestützt werden. Das bedeutet, dass die Beschwerdeinstanz grundsätzlich eine weitere Tatsacheninstanz ist. Allerdings – und das muss strikt beachtet werden – kann der Vorsitzende oder das Beschwerdegericht gem. § 571 Abs. 3 S. 1 ZPO für das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel eine Frist setzen. Bei Fristversäumnis sind gleichwohl vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens nicht verzögern würden oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt, wobei die Entschuldigungsgründe auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen sind (§ 571 Abs. 3 S. 2 u. 3 ZPO).

e) Rechtsmittel

Die Entscheidung ergeht in Beschlussform. Falls der Beschluss nicht verkündet wurde, ist er den Parteien zuzustellen. Gegen die Entscheidung ist nur dann die Rechtsbeschwerde gegeben, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

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