a) Kindeswohl und staatliches Wächteramt

Das BVerfG (NJW 2022, 3570) zeigt in einem Rückführungsfall die Grundsätze für die Zuweisung der Aufgaben und Befugnisse zwischen den Eltern und dem Staat zum Schutz und zur Hilfe der Kinder auf, damit sie sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln. Nach Art. 6 Abs. 2 GG obliegt zuvörderst den Eltern die Pflicht zur Pflege und Erziehung. Werden die Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht, weil sie nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Erziehungsaufgabe wahrzunehmen, oder können sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten, kommt das Wächteramt des Staates zum Tragen. Ist das Kindeswohl gefährdet, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen. Das Kind hat insoweit einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz durch den Staat.

b) Tragweite der Trennung

Das BVerfG (FamRZ 2022, 1616 = Hammer, FamRZ 2022, 1581) betont, dass eine Rückkehr des Kindes zu den Eltern auch nach längerer Fremdunterbringung möglich bleiben muss und die mit dem Wechsel der Bezugspersonen verbundenen Belastungen eine Rückführung nicht automatisch dauerhaft ausschließen dürfen.

Das Kindeswohl gebietet es aber, die neuen gewachsenen Beziehungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu bedenken und das Kind aus seiner Pflegefamilie lediglich herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von den bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind. Bei der Kindeswohlprüfung müssen die Tragweite der Trennung und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung berücksichtigt werden, die negativen Folgen einer Traumatisierung des Kindes sind gering zu halten.

c) Sachaufklärung

Für die Prüfung der Frage, ob die Rückführung eines Kindes, das bereits kurz nach der Geburt in Obhut genommen war, zu seinen Herkunftseltern im Hinblick auf entstandene Bindungen zu seinen Pflegeeltern zu einer Kindeswohlgefährdung führt, bedarf es nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (FamRB 2022, 263 m. Hinw. Vogel) regelmäßig i.R.d. Amtsermittlung der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens.

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