Im vergangenen Jahr hatte der Bundestagsabgeordnete und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Kritik an einer angeblichen "Anti-Abschiebe-Industrie" geübt und damit u.a. auf engagierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte abgezielt. Eine "aggressive Anti-Abschiebe-Industrie", so Dobrindt seinerzeit, sabotiere die Bemühungen des Rechtsstaates und gefährde die öffentliche Sicherheit. Umgehend hatten sich die Anwaltsverbände BRAK und DAV gegen diese Verunglimpfung zur Wehr gesetzt (vgl. ZAP Anwaltsmagazin 11/2018, S. 533).

Eine späte Bestätigung haben die beiden Verbände nun von der institutionell unabhängigen und ehrenamtlichen Aktion "Unwort des Jahres" erhalten. Deren Jury hat den Begriff Mitte Januar nun zum "Unwort des Jahres 2018" erklärt (vgl. dazu auch die ZAP Kolumne von Wessels, in diesem Heft, S. 105). Der Ausdruck, so die Begründung der Jury, unterstelle denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützen und Abschiebungen auf dem Rechtsweg prüfen, die Absicht, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen. Der Ausdruck "Industrie" suggeriere zudem, es würden dadurch überhaupt erst Asylberechtigte "produziert". Es handele sich hierbei um ein Unwort, weil mit diesem Begriff das geltende Gesetz verhöhnt werde, welches Grundlage unserer Wertegemeinschaft sei. Als das Unwort 2018 gilt es der Jury, weil die Tatsache, dass ein solcher Ausdruck von einem wichtigen Politiker einer Regierungspartei prominent in der Diskussion platziert worden sei, zeige, wie sich der politische Diskurs sprachlich und in der Sache nach rechts verschoben habe und sich damit auch die Sagbarkeitsregeln in unserer Demokratie in bedenklicher Weise veränderten.

Daneben hat die Jury noch zwei weitere Ausdrücke zu "Unworten des Jahres" erklärt: die Begriffe "Menschenrechtsfundamentalismus" und "Ankerzentrum". Der Ausdruck "Menschenrechtsfundamentalismus" wurde von dem Tübinger Oberbürgermeister Palmer anlässlich einer Debatte um die Seenotrettung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer verwendet, um damit die politische Haltung von ihm sog. moralisierender Kreuzzügler in der Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Der Ausdruck zeige in erschreckender Weise, dass es in Deutschland diskutabel geworden zu sein scheine, ob ertrinkende Menschen gerettet werden sollen oder nicht. Menschenrechte seien aber fundamentale Rechte – sie zu verteidigen, sei mehr als eine bloße Gesinnung, die als "Fundamentalismus" diskreditiert werden könne.

Der ebenfalls kritisierte Ausdruck "Ankerzentrum" finde sich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD und bezeichne besondere Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, die dort eine "Bleibeverpflichtung" haben, bis sie auf die Kommunen verteilt oder abgeschoben werden oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Im Koalitionsvertrag werde durch die Schreibweise noch verdeutlicht, dass der erste Bestandteil des Ausdrucks eigentlich eine Abkürzung sei: AnKER stehe dort für "Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung". Durch die inzwischen fast durchgängige Zusammenschreibung (Ankerzentrum) werde der Ausdruck zu einem unangemessenen Euphemismus, der die komplizierten Prüfverfahren in diesen Zentren und zudem die strikte Aufenthaltspflicht für Flüchtlinge verschleiere, indem die positiven Assoziationen des Ausdrucks "Anker" – u.a. Festmachen in einem Hafen, Sicherheit, zudem christliches Symbol der Hoffnung – gezielt ausgenutzt würden.

[Red.]

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