Betriebsprüfung/Statusklärung//Beitragserhebung

Die Vielfalt moderner Arbeitsformen und der Arbeitsorganisation (etwa der Einsatz von Soloselbstständigen, Freelancern, Heim- oder Telearbeitern) beschäftigen ständig sowohl die arbeitsrechtliche als auch die sozialrechtliche Praxis, so hinsichtlich der Frage der Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV (s. hierzu etwa Greiner SGb 2016, 301). Hiermit einher geht die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Zollbehörden und Deutscher Rentenversicherung (DRV). Zusätzlich zu den regelmäßigen Prüfungen der DRV nach § 28p SGB IV hat allein der Zoll im Jahr 2014 mehr als 63.000 Arbeitgeber geprüft mit der Folge von Bußgeldern i.H.v. ca. 50 Mio. EUR und Geldstrafen i.H.v. rund 30 Mio. EUR. Während bei ordnungsgemäßer Beitragsbehandlung die Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden, kann eine Betriebsprüfung für den Arbeitgeber das Beitragsrisiko rückwirkend bis zu vier Jahren, bei Vorsatz sogar bis zu 30 Jahren (§ 25 SGB IV) und dabei bezogen sowohl auf den Arbeitgeber- als auch auf den Arbeitnehmeranteil (§ 28g SGB IV) realisieren (s. etwa Rittweger/Zieglmeier AnwBl 2015, 660, Zieglmeier NJW 2015, 1914, Olgemöller SGb 2016, 11 und Rittweger NZA 2016, 338).

  1. Durch Urteil vom 18.11.2015 (B 12 R7/14 R) hat das BSG an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, wonach frühere, "beanstandungsfreie" verlaufende Betriebsprüfungen weder Bindungswirkung für weitere Beitragsforderungen aufgrund erneuter Betriebsprüfungen entfalten und den Arbeitgebern auch keinen "Bestandsschutz" vermitteln (s. hierzu bereits BSG, Urt. v. 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R, BSGE 115, 1, hierzu Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1365, 1378 f. und Neidert DB 2014, 2471). Ferner äußert sich das BSG erneut zur regelmäßig gem. § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV nach vier Jahren eintretende Verjährung von Beitragsansprüchen. Diese Frist verlängert sich jedoch durch eine rückwirkende Umwandlung in die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Es reicht insoweit aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthält, er also seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung aber billigend in Kauf nimmt. Um einen für eine die Verjährungsfrist verschiebende Beitragsvorenthaltung erforderlichen Vorsatz bejahen zu können, ist jedoch tatrichterlich das Vorliegen des dafür erforderlichen inneren (subjektiven) Tatbestands festzustellen. Dieser darf regelmäßig nicht pauschal aufgrund allgemeiner rechtlicher Erwägungen unterstellt werden, sondern ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und bezogen auf den betreffenden Beitragsschuldner durch Sachverhaltsaufklärung individuell zu ermitteln.
  2. Ist unklar, ob eine bestimmte Tätigkeit eine Beschäftigung i.S.v. § 7 SGB IV darstellt, können die Beteiligten gem. § 7a SGB IV ("Anfrageverfahren") schriftlich die Entscheidung der DRV Bund beantragen. In diesen Fällen tritt die Versicherungspflicht gem. § 7a Abs. 6 SGB IV erst "mit der Bekanntgabe der Entscheidung" ein, wenn der Beschäftigte zustimmt und während der davor liegenden Beschäftigungszeit entsprechend der Sozialversicherung anderweitig gegen Krankheit versichert war und Altersvorsorge betrieben hat. In zwei Urteilen vom 24.3.2016 hat sich das BSG mit dieser Vorschrift befasst. Zum einen (Urt. v. 24.3.2016 – B 12 R 3/14 R) urteilte es, als "Entscheidung" der Versicherung in diesem Sinne sei auch schon die Feststellung der DRV Bund anzusehen, dass eine Beschäftigung vorliegt, auch wenn diese Feststellung rechtswidrig war. Zum anderen hat das BSG es zugelassen, dass die Zustimmung des Beschäftigten zum späteren Eintritt von Versicherungsschutz erst nach der Feststellung durch die DRV Bund ergeht. Umgekehrt hält es das BSG in seinem Urteil vom 24.3.2016 (B 12 R 12/14 R) für möglich, die Zustimmung auch noch nach deren Zugang bei der DRV Bund bis zur Bestandskraft des feststellenden Verwaltungsakts zu widerrufen: Das Interesse des Arbeitgebers auf eine möglichst frühzeitige Bindung des Beschäftigten sei nicht schutzwürdig, weil nach dem Handels- und Gesellschaftsrecht ohnehin Rückstellungen für die Beitragsforderungen vorzunehmen seien.

Von Richter am Arbeitsgericht Wolfgang Gundel, Freiburg, und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und für Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach

ZAP F. 17 R, S. 137–154

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