Das Tatgericht muss im Mieterhöhungsprozess die konkrete Wohnung innerhalb der Spanne des qualifizierten Mietspiegels einordnen und sodann eine bestimmte Einzelvergleichsmiete feststellen, die innerhalb der Spanne liegen muss (BGH, Urt. v. 13.2.2019 – VIII ZR 245/17, NZM 2019, 250). Die Ermittlung der sog. Einzelvergleichsmiete innerhalb der Spanne erfolgt aufgrund zusätzlicher wertender Kriterien unter Zugrundelegung der fünf Wohnwertmerkmale des § 558 Abs. 2 BGB (Wohnraum gleicher Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit). Sofern kein einfacher oder qualifizierter Mietspiegel vorhanden oder auf die konkrete Wohnung nicht anwendbar ist, erfolgt die tatrichterliche Bestimmung durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, da das Gericht nicht die erforderliche Sachkenntnis hat, selbst die jeweilige Einzelvergleichsmiete zu bestimmen (BeckOGK/Fleindl, § 558 BGB Rn 71). Ein solches Sachverständigengutachten kann nach Maßgabe von § 144 ZPO auch ohne Beweisantritt von Amts wegen eingeholt werden. Sofern – wie regelmäßig – im Zustimmungsprozess ein (qualifizierter) Mietspiegel anwendbar ist, bestimmt der Tatrichter die Einzelvergleichsmiete innerhalb der Mietspiegelspanne durch Schätzung gem. § 287 ZPO, wobei das Ergebnis nur eingeschränkt durch das Rechtsmittelgericht überprüft werden kann (BGH, Urt. v. 13.2.2019 – VIII ZR 245/17, NZM 2019, 250).
- Zwar ist es rechtlich zulässig, zur Frage der Einordnung innerhalb der Mietspiegelspanne ein Sachverständigengutachten einzuholen (BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 123/20, BeckRS 2020, 34805), diese Vorgehensweise wird bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels jedoch im Hinblick auf die zusätzlich vorhandenen Schätzgrundlagen im Mietspiegel und den unverhältnismäßigen Kostenaufwand regelmäßig ausscheiden (i.E. ebenso BeckOGK/Fleindl, § 558 BGB Rn 71).
- Der rechnerische Mittelwert einer Mietspiegelspanne kann nicht ohne Weiteres vom Tatgericht als „Regel-Einzelvertragsmiete” herangezogen werden (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29.2.2012 – VIII ZR 346/10, NJW 2012, 1351), allerdings kann es mit Rechtsmitteln nicht beanstandet werden, wenn das Tatgericht keine Besonderheiten der konkreten Wohnung feststellt, die eine Abweichung aufgrund konkreter Wohnwertmerkmale innerhalb der Spanne nach unten oder oben rechtfertigen könnten und deshalb nach Schätzung gem. § 287 ZPO den rechnerischen Mittelwert ansetzt (BGH, Urt. v. 24.4.2019 – VIII ZR 62/18, BeckRS 2019, 8821; LG Dortmund, Urt. v. 20.8.2010 – 17 S 48/10, BeckRS 2010, 25394).
Hinweis:
Auch wenn im Einzelfall ein qualifizierter Mietspiegel existiert, kann der Tatrichter die ortsübliche Vergleichsmiete bei entsprechendem Beweisantritt bzw. im Rahmen von § 144 ZPO auch von Amts wegen durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ermitteln lassen (BGH, Urt. v. 28.4.2021 – VIII ZR 22/20, BeckRS 2021, 13354). Das Tatgericht ist also bei Vorliegen multipler substantiierter Einwendungen der Vermieterseite gegen die Qualifiziertheit des Mietspiegels nicht gezwungen, zunächst Beweis über die Vermutungsgrundlagen von § 558d Abs. 1 BGB zu erheben. Alternativ steht dem Tatgericht der Weg über die Verwendung als einfacher Mietspiegel gem. § 558c BGB zur Verfügung (BGH, Urt. v. 13.2.2019 – VIII ZR 245/17, NJW-RR 2019, 458).
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