Zu den Rechtsquellen, die jeder Jurastudent bereits im ersten Semester zu erlernen hat, zählt u.a. auch das sog. Richterrecht. Diesen von der Judikative gesetzten Rechts- und Erfahrungsregeln hat jüngst das AG Bergheim eine neue hinzugefügt. Und sie wirft kein gutes Licht auf die Arbeitsweise deutscher Behörden. Sie lautet: "Eine Bearbeitungsdauer von noch unter zwei Monaten ist in Behörden nicht üblich."

So steht es wörtlich in einem kürzlich ergangenen Beschluss in einer Beratungshilfesache (Az. 80bUR II 634/17 BerH), mit dem eine Erinnerung zurückgewiesen wurde. Der Satz stellt – abgesehen von der üblichen Floskel, dass auf die "zutreffenden Gründe" des vorangegangenen Nichtabhilfebeschlusses "vollumfänglich" verwiesen werde – die einzige tragende Begründung der nur drei Sätze umfassenden Entscheidung dar. Der dritte Satz des schmalen Beschlusses ist übrigens der Sachverhaltsschilderung gewidmet, aus der sich ergibt, dass der Erinnerungsführer einen Antrag bei der deutschen Rentenversicherung gestellt und bereits nach fünf Wochen ohne Nachricht einen Rechtsanwalt mandatiert hatte.

Diese Ignoranz einer klaren Rechts- bzw. Erfahrungsregel (s. oben) durfte natürlich vom Gericht lapidar abgebügelt werden. Die beauftragten Anwälte wissen nun Bescheid und auch die kommenden Auflagen der Lehrbücher zum Verwaltungsrecht werden hoffentlich entsprechend aktualisiert.

Bleibt nur zu hoffen, dass all diejenigen Verwaltungsmitarbeiter in Bund, Ländern und Gemeinden, die bislang kürzere Erledigungszeiten vorweisen konnten, die Feststellung des AG Bergheim nicht geradezu als Normbefehl interpretieren.

[Red.]

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