1. Allgemeine Mandatspflichten

Ein Rechtsanwalt ist im Rahmen des ihm erteilten Mandats verpflichtet, den Auftraggeber umfassend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Droht dem Mandanten ein Rechtsverlust, hat der Anwalt diesem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken (BGH ZAP EN-Nr. 681/2016 = WM 2016, 2091 Rn 9).

Den dabei einzuhaltenden Prüfungsmaßstab hat der BGH mit Urteil vom 17.3.2016 präzisiert (BGH a.a.O. Rn 9): Der Anwalt hat sich bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren. Hinweise, Belehrungen und Empfehlungen sind i.d.R. hieran auszurichten. Fehlt höchstrichterliche Judikatur kann der Anwalt sich die erforderlichen Kenntnisse etwa durch Einsichtnahme in eines der üblichen Erläuterungsbücher verschaffen. Ungewöhnliche Fallgestaltungen, die weder Gegenstand einer höchstrichterlichen oder instanzgerichtlichen Entscheidung waren noch in einem der gängigen Kommentare oder Lehrbüchern behandelt werden, hat er auf der Grundlage eigener, juristisch begründeter Überlegungen zu bearbeiten. Entscheidet er sich hierbei für einen von mehreren vertretbaren Lösungswegen, so handelt er nicht schuldhaft (BGH a.a.O. Rn 12).

Die Verpflichtung des Prozessanwalts, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, erfährt durch den Grundsatz „iura novit curia“ keine Einschränkung. Der Anwalt hat über den Tatsachenvortrag hinausgehend den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Rechtsansicht zutreffend ist. Er muss daher alles – einschließlich Rechtsausführungen – vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann (BGH NJW 2016, 957 Rn 8).

2. Pflichten bei Abschluss eines Prozessvergleichs

Der Abschluss eines Prozessvergleichs birgt für den Anwalt die Gefahr von Fehlerquellen und Haftungsrisiken in besonderem Maße (Zimmermann ZAP F. 13, S. 2135). Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Pflichten hat der BGH mit Urteil vom 14.7.2016 (ZAP EN-Nr. 746/2016 = NJW 2016, 3430) präzisiert: Danach ist der Anwalt im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Um dem Mandanten eine eigenständige Entscheidung über den Vergleichsabschluss zu ermöglichen, muss er ihm die Vor- und Nachteile der vorgesehenen Abrede darlegen. Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden (BGH WM 2010, 815 Rn 8; NJW 2016, 3430 Rn 8). Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen (BGH a.a.O. Rn 8; Vill, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn 282). In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsabschluss abzusehen, gefolgt wäre. Nimmt er auf Anraten seines Rechtsanwalts eine günstige Vergleichsmöglichkeit nicht wahr, kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung (BGH a.a.O. Rn 8).

 

Beispiel:

Trägt der Mandant für eine prozessentscheidende Abrede die Beweislast und wird er hierauf vom Richter schon vor der Unterbrechung der Sitzung zur Erörterung des Vergleichsvorschlags mit dem Anwalt hingewiesen, muss ihm – dem Mandanten – klar sein, dass er den Rechtsstreit verlieren wird, wenn er auf das Ganze gehen und die Beweisaufnahme zu seinem Nachteil ausfallen sollte. Eine zusätzliche Belehrung durch seinen Anwalt bedarf es dann nicht mehr. Dieser kann ihm allenfalls noch einmal die Risiken einer durchzuführenden Beweisaufnahme vor Augen führen. Eine besonders eindringliche Belehrung schuldet der Anwalt seinem Mandanten hierbei aber nicht (BGH a.a.O. Rn 12; vgl. auch BGHZ 126, 217, 220).

3. Pflicht des Prozessanwalts, gerichtliche Fehler zu vermeiden

Der Rechtsanwalt ist vertraglich verpflichtet, einer gerichtlichen Fehlentscheidung entgegenzuwirken. Im Interesse seines Mandanten hat er nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts zu begegnen. Der Anwalt muss alles – einschließlich Rechtsausführungen – vorbringen, was die Entscheidung günstig beeinflussen kann. Er hat auch eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist. Insbesondere muss der Anwalt auf die höchstrichterliche Judikatur hinweisen. Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass sein Anwalt dafür Sorge trägt, dass diese Argumente bei d...

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