Nach durchgeführter Interessenabwägung entscheidet der Tatrichter über das Fortsetzungsverlangen des Mieters und wird das Mietverhältnis auf bestimmte oder unbestimmte Zeit in die Zukunft fortschreiben, wobei auch die Hauptleistungspflichten des Mietvertrags abgeändert werden können.

a) Wirkung des begründeten Widerspruchs und Fortsetzungsverlangen des Mieters

Entgegen dem missverständlichen Wortlaut von § 574 BGB („... widersprechen und ... verlangen”), handelt es sich beim Mieterwiderspruch und seinem Fortsetzungsverlangen nicht um zwei verschiedene Erklärungen, sondern um eine Gestaltungserklärung mit zweifachem Inhalt (Schmidt-Futterer/Hartmann, a.a.O., § 574a BGB Rn 2). Zum einen enthält die Erklärung das Berufen auf konkrete Härtegründe und den Antrag auf Abschluss eines Verlängerungsvertrags auf bestimmte oder unbestimmte Zeit gegenüber dem Vermieter. Dieses Angebot wird der Vermieter in aller Regel zurückweisen, sodass gem. § 574a Abs. 2 S. 1 BGB nur das Tatgericht durch rechtsgestaltendes Urteil eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bestimmen kann (vgl. Schmidt-Futterer/Hartmann, a.a.O., § 574a BGB Rn 9). In der Zeit zwischen Ablauf der Kündigungsfrist und der Entscheidung über die Vertragsfortsetzung (entweder durch Einigung oder durch Urteil) bleibt das Mietverhältnis in der Schwebe (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, Stand 22.2.2022, § 574a BGB Rn 4; a.A. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.2.1973 – 5 REMiet 1/72, NJW 1973, 1001: Kündigung schwebend unwirksam). Als Folge schuldet der Mieter in dieser Zwischenzeit keine Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB, sondern den vereinbarten Mietzins.

b) Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte oder bestimmte Zeit

Der gesetzliche Regelfall ist die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit, § 574a Abs. 1 S. 1 BGB. Maßgeblich für die Entscheidung ist, wann das Räumungshindernis voraussichtlich entfällt, was eine richterliche Prognoseentscheidung darstellt, die vom Rechtsmittelgericht nur eingeschränkt nachprüfbar ist (AG Köln, Urt. v. 23.6.2020 – 210 C 224/17, ZMR 2021, 48). Kommt der Tatrichter zur Überzeugung, dass das Räumungshindernis überwiegend wahrscheinlich zu einem konkreten Zeitpunkt wegfällt, wird er das Mietverhältnis bis dorthin fortsetzen. Erhält der Tatrichter keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, wann ein festgestelltes Räumungshindernis wegfällt, wird das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. Eine Fortsetzung auf Lebenszeit des Mieters ist nicht möglich, da im Gesetz so nicht vorgesehen (OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 3.7.1970 – 1 REMiet 1/70, ZMR 1969, 242; LG Lübeck, Urt. v. 7.9.1993 – 6 S 325/92, WuM 1994, 22).

 

Hinweis:

Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit hat eine andere Rechtskraftwirkung als eine Fortsetzung auf Lebenszeit des Mieters. Im letzten Fall wäre der Vermieter aufgrund der Rechtskraft des Urteils auf Lebzeiten des Mieters daran gehindert, das Mietverhältnis durch ordentliche Kündigung zu beenden. Im Fall einer Fortsetzung auf unbestimmte Zeit steht die Rechtskraft des Urteils einer erneuten ordentlichen Kündigung (z.B. Eigenbedarfskündigung) nach einiger Zeit nicht entgegen, sofern sich die tatsächlichen Umstände für den festgestellten Härtegrund verändert haben.

c) Fortsetzung des Mietverhältnisses zu geänderten Bedingungen

Das Gesetz geht im Grundsatz von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen aus und nur im Interesse des Vermieters kann hiervon abgewichen werden (§ 574a Abs. 1 S. 2 BGB). Eine Abänderung des Mietverhältnisses zugunsten des Vermieters setzt voraus, dass ihm die Fortsetzung zu den bisherigen Bedingungen nicht zuzumuten ist. Nach zutreffender Ansicht ist der Begriff der Vertragsbedingungen weit auszulegen, sodass neben Änderung der Miethöhe auch die Umlage von Betriebskosten oder über Instandhaltungspflichten erfolgen können (Schmidt-Futterer/Hartmann, a.a.O., § 574a BGB Rn 14 m.w.N.). Unzumutbar sind die Bedingungen für den Vermieter, sofern die Vertragsbedingungen von den üblicherweise in der konkreten Gemeinde vereinbarten Inhalten vergleichbarer Mietverhältnisse zum Nachteil des Vermieters abweichen. Liegt die bisherige Miete unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete nach Maßgabe der §§ 558 ff. BGB, so ist eine Mietanhebung angemessen. Nach richtiger Auffassung kann die Miete durch richterliches Gestaltungsurteil auch dann angehoben werden, wenn der Vermieter nach §§ 558 ff. BGB hierzu nicht befähigt wäre. Weder die Kappungsgrenze noch Fristen und Formalien des § 558a BGB finden hier Anwendung (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2021, Stand 22.2.2022, § 574a BGB Rn 27; a.A. AG Berlin, Urt. v. 24.7.2019 – 17 C 381/17, MM 2020, Nr. 9). Maßgeblicher Zeitpunkt für die geänderten Vertragsbedingungen ist die Beendigung des ursprünglichen Mietverhältnisses, mit anderen Worten der Ablauf der Kündigungsfrist der wirksamen Kündigung (Schmidt-Futterer/Hartmann, a.a.O., § 574a BGB Rn 17).

 

Praxistipp:

In der Praxis wird häufig bei langandauernden Mietverhältnissen eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, wobei die Vertragsmiete oft weit unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und eine Vertragsfortsetzung zu unveränder...

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