Reichen die nach Abzug des vorrangigen Kindesunterhalts und des ihm zuzugestehenden Selbstbehalts noch vorhandenen finanziellen Mittel des geschiedenen Ehemanns aus, auch den Bedarf der beiden Ehefrauen vollständig abzudecken, ergeben sich keine Verteilungsprobleme. Andernfalls kommt es auf die Rangverhältnisse der Ansprüche der beiden Ehefrauen an (§ 1609 Nr. 2 und 3 BGB).

aa) Unterhaltsrechtlicher Nachrang der neuen Ehefrau

Ist ein neuer Ehegatte gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nachrangig, ist dessen Unterhaltsanspruch i.R.d. Leistungsfähigkeit gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nicht als sonstige Verpflichtung zu berücksichtigen. Dies ist dann der Fall, wenn der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau wegen „langer Ehedauer” oder der Betreuung eines gemeinsamen Kindes im Rang nach § 1609 Nr. 2 BGB steht, während die jetzige Ehefrau keine gemeinsamen Kinder betreut und daher mit ihrem Unterhaltsanspruch nur den Rang nach § 1609 Nr. 3 BGB beanspruchen kann. Zu beachten ist dabei, dass sich das Kriterium der „langen Ehe” bei § 1609 BGB nicht auf ein festes Zeitraster beschränkt, sondern auch Nachteile i.S.d. § 1578b Abs. 1 S. 2 und 3 BGB zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 31.7.2008 – XII ZR 177/06, FamRZ 2008, 1911), sodass die Rechtsprechung zu § 1587b BGB zu beachten ist.

In solchen Fällen ist der Unterhaltspflichtige deswegen regelmäßig der geschiedenen Ehefrau gegenüber i.H.d. Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen leistungsfähig (BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183).

Denn es ist grds. zu beachten, dass der sich aus § 1609 BGB ergebende Rang der Unterhaltsansprüche selbst Ausdruck einer gesetzlichen Billigkeitswertung ist, die den – vollständigen – Vorrang des vom Gesetzgeber als schutzbedürftiger angesehenen Unterhaltsberechtigten sichern soll. Dies wird i.d.R. dazu führen, dem vorrangigen geschiedenen Ehegatten den nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Bedarf insgesamt zu belassen und die neue Ehe ergänzend auf die durch den nachrangigen Ehegatten erzielten oder erzielbaren Einkünfte sowie auf die der neuen Ehe vorbehaltenen wirtschaftlichen Vorteile – hier also insb. den steuerlichen Splittingvorteil und den hälftigen Familienzuschlag der Stufe 1 – zu verweisen (BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183 m.w.N.).

Diese Überlegungen gelten im Übrigen auch, wenn es sich nicht um den vorrangigen Unterhaltsanspruch einer geschiedenen Ehefrau handelt, sondern um den Anspruch aus § 1615l BGB einer kinderbetreuenden unverheirateten Mutter.

bb) Unterhaltsrechtlicher Vorrang der neuen Ehefrau

Steht der Unteranspruch der geschiedenen Ehefrau im Rang des § 1609 Nr. 3 BGB, kann ein unterhaltsrechtlicher Vorrang der neuen Ehefrau nur dann gegeben sein, wenn diese ein Kind betreut (§ 1609 Nr. 2 BGB). Der Fall einer „langen Ehe” dürfte praktisch nicht gegeben sein. Bei Vorrang der neuen Ehefrau muss aus den begrenzten Finanzmitteln des Unterhaltspflichtigen zuerst der Kindesunterhalt sowie der gesamte zuvor errechnete Bedarf der neuen Ehefrau gedeckt werden, sodass die geschiedene Ehefrau nur den verbleibenden Rest beanspruchen kann.

Die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsschuldners für seine Leistungsunfähigkeit gegenüber seiner Ex-Ehefrau erstreckt sich auch auf die Umstände, die die Unterhaltsbedürftigkeit seiner neuen Ehefrau begründen, weil es sich dabei um eine das Einkommen mindernde Verbindlichkeit handelt (BGH, Urt. v. 14.4.2010 – XII ZR 89/08, NJW 2010, 2056 m. Anm. Born).

cc) Unterhaltsrechtlicher Gleichrang von geschiedener und neuer Ehefrau

Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist i.R.d. Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens vom BGH nicht beanstandet worden (BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, BGHZ 192, 45; FamRZ 2012, 281 m.w.N.). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau wegen langer Ehedauer oder der Betreuung eines gemeinsamen Kindes mit dem hinzugetretenen Anspruch auf Betreuungsunterhalt der Mutter des nachehelich geborenen Kindes nach § 1609 Nr. 2 BGB gleichrangig ist. Entsprechendes gilt auch dann, wenn sowohl der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau als auch derjenige der jetzigen Ehefrau nach § 1609 Nr. 3 BGB im gleichen Rang steht. In den Fällen der Gleichrangigkeit des jetzigen und des geschiedenen Ehegatten kann daher der geschiedene Ehegatte im Mangelfall nicht mehr den vollen, d.h. prägenden Unterhalt im Weg der Halbteilung verlangen, sondern muss eine Kürzung hinnehmen, sodass auch der neu hinzugetretene Unterhaltsanspruch erfüllt werden kann (BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183).

Bei der vorzunehmenden Dreiteilung ist das gesamte Einkommen aller Beteiligten zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183; BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 19/13, FamRZ 2014, 912; BGH, Urt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, BGHZ 192, 45-67; FamRZ 2012, 281; BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 19/13, FamRZ 2014, 912; BGHZ 179, 196; FamRZ 2009, 411 Rn 39 f. und BGH...

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