Dem Vermieter ist in der Wohnraummiete seit nunmehr 50 Jahren die Änderungskündigung zum Zweck der Durchsetzung einer Mieterhöhung in § 573 Abs. 1 BGB ausdrücklich verboten. Als verfassungsrechtlich gebotenem Ausgleich für dieses Verbot ist dem Vermieter der Anspruch auf die ortsübliche Vergleichsmiete eingeräumt worden (BGH – VIII ZR 52/18, NZM 2019, 142; VIII ZR 303/06, NJW 2007, 2546). Dieses gesetzesgestützte Zustimmungsverfahren verlangt das Vorliegen formeller und materieller Tatbestandsmerkmale. Die Vergleichsmiete sollte bereits seit 1971 nach den fünf noch heute geltenden Wohnwertmerkmalen „Art, Größe, Beschaffenheit, Ausstattung und Lage” ermittelt werden. Zu Recht wurde auf die damit verbundenen Schwierigkeiten sofort hingewiesen und vorgeschlagen, dass die Interessenverbände der Vermieter und Mieter unter Mitwirkung der Gemeinden zweckmäßigerweise eine Tabelle erarbeiten sollten, aus der sich die ortsüblichen Vergleichsmieten ergeben. Dabei dachte man damals eigentlich nur an das vorprozessuale Zustimmungsverfahren, das eine Begründung des Vermieters für seinen Anspruch verlangte, ohne – wie heute in § 558a Abs. 2 BGB – Beispiele dafür vorzuschlagen. Durch die Einführung von Mietspiegeln als Begründungsmittel hat der Gesetzgeber 1974 auf diese Kritik reagiert. Besondere Vorgaben hat das Gesetz aber nicht gemacht. Es musste sich nur um eine Übersicht handeln, die entweder von der Gemeinde oder den Interessenverbänden aufgestellt worden war. In der Folgezeit haben sich auch die Gerichte der Mietspiegelwerte bedient, um im Prozess die ortsübliche Vergleichsmiete festzustellen, obgleich Mietspiegel bis heute keine förmlichen Beweismittel sind.

Durch das Mietrechtsreformgesetz von 2001 wurde diese Rechtsentwicklung aufgegriffen und für Mietspiegel, die nach den anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden waren, eine Vermutungswirkung festgelegt. Da die ortsübliche Vergleichsmiete nach Einführung der sog. Mietpreisbremse nicht nur für Mieterhöhungen im Bestand eine Bedeutung hatte, sondern auch für die Wiedervermietungsmiete, wurde insb. von kapitalmarkt- und renditeorientierten Großvermietern einigen Mietspiegeln die Qualifikation abgesprochen, um höhere Mieten durchsetzen zu können. Der BGH musste sich zweimal (BGH NJW 2013, 775; NJW 2014, 292.) mit diesen Fragen und insb. der Beweislast intensiv beschäftigen. Er hat die Beweislast dafür, dass die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze der Mietspiegelerstellung eingehalten wurden, beim Mieter gesehen, was für diesen mit erheblichen Kosten und einem hohen Risiko verbunden ist. Dabei geht es i.d.R. um schwierige Fragen der Statistik. Es gibt wenige geeignete Sachverständige. In Berlin war infolge eines ungeeigneten Gutachtens die Frage aufgetaucht, ob man ggf. nicht-qualifizierte Mietspiegel als „einfachen” Mietspiegel mit Indizwirkung im Prozess verwerten kann. Die Rechtsprechung inklusive des BGH hat hier inzwischen gangbare und praxistaugliche Wege entwickelt. Trotzdem hat der Gesetzgeber an seinem einmal eingeschlagenen Weg festgehalten, durch gesetzliche Regelungen das eigentlich inzwischen gelöste Problem zu lösen. Auch wenn die neuen Vorgaben für Mietspiegel inzwischen mehrfach im Gesetzgebungsverfahren aufgeweicht wurden, ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die Neuregelungen hier zumindest zeitweise wieder zu einer gewissen Unsicherheit führen können.

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