Nach ständiger Rechtsprechung des BSG steht jedem Beteiligten gem. §§ 116 S. 2; 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zu, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet. Das Fragerecht soll unabhängig davon, ob das Gericht selbst ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, den Beteiligten erlauben, im Rahmen des Beweisthemas die Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um hierdurch zumindest auf die Grundlagen der als solche nicht überprüfbaren gerichtlichen Beweiswürdigung (§ 160 Abs. 2 Nr. 3 Ts. 2 i.V.m. § 128 Abs. 1 S. 1 SGG) Einfluss nehmen zu können (s. hierzu bereits BSG, v. 7.8.2014 – B 13 R 439/13 B und Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1423 f.).

Sachdienliche Fragen i.S.v. § 116 S. 2 SGG liegen nach der Rechtsprechung immer dann vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind. An der Sachdienlichkeit fehlt es nur, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur Beweis unerhebliche Fragen angekündigt werden.

Mit diesen Anforderungen tut sich die Praxis bisweilen schwer, insbesondere etwa dann, wenn nach einem längeren Rechtsstreit mit Erhebung von Gutachten und wenn bereits auf Veranlassung der Klägerseite ergänzende Stellungnahmen bei Sachverständigen eingeholt wurden, im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung ein weiterer Antrag auf Befragung eines Sachverständigen gestellt wird. In einem solchen Fall war das LSG dem entsprechenden Antrag des Klägers nicht gefolgt, obwohl es selbst angenommen hatte, dass hinsichtlich des entscheidungserheblichen Sachverhalts ein Teilbereich noch nicht widerspruchsfrei geklärt war. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügte der Kläger die Verletzung seines Fragerechts und damit seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG). Die Rüge sah das BSG (v. 16.6.2016 – B 13 R 119/14 B) für begründet an, hob das Urteil auf und verwies zurück.

 

Hinweis:

Neben dem Anspruch auf Befragung von Sachverständigen kann das Gericht überdies nach § 411 Abs. 3 ZPO zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anordnen. Die Entscheidung hierüber steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Eine Ladung wird regelmäßig nur dann für geboten angesehen, wenn sich nicht anderweitig Klarheit über die erhobenen Einwendungen verschaffen lässt, wie etwa durch schriftliche Befragung. Die zivilrechtliche Rechtsprechung ist insofern großzügiger und hält auf Antrag einer Partei die Gerichte unabhängig von der Vorschrift des § 411 Abs. 3 ZPO zur Ladung des Sachverständigen verpflichtet (s. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 411 Rn 5a m.w.N.).

Autoren: Prof. Dr. Andreas Pattar, Hochschule für öffentliche Verwaltung, Kehl, und Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und für Sozialrecht Dr. Ulrich Sartorius, Breisach

ZAP F. 18, S. 1249–1266

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