Auch wenn sich der Regelungsinhalt der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen (EU-VO 330/2010) nur darauf bezieht, Franchiseverträge vom Kartellverbot des Art. 101 AUEV (Vertrag über die Arbeitsweise innerhalb der Europäischen Union – vormals Art. 81 Abs. 1 EG-Vertrag) freizustellen, kommt den EU-Gruppenfreistellungsverordnungen – zumindest mittelbar – auch für die zivilrechtliche Beurteilung von Franchiseverträgen Bedeutung zu (vgl. dazu insbesondere Gerstner, in: Franchiserecht, Kap. 2, Rn 9: Franchise-GVO als "Zwangsjackeneffekt" für die Gestaltung von Franchiseverträgen; s. insoweit auch Bechtold EWS 2001, 49, 50; Metzlaff BB 2000, 1201, 1202).

So hat das OLG Rostock festgestellt (Urt. v. 29.6.1995, DRsp. Nr. 1998/3987), dass die seinerzeitige Franchise-GVO (EU-VO 4087/88) auch zivilrechtlich in Deutschland Anforderungen an einen abzuschließenden Franchisevertrag festlegt; d.h. Maßstab für die Frage der Sittenwidrigkeit eines Franchisevertrags nach § 138 Abs. 1 BGB (gute Sitten) ist. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.7.2004 (WRP 2004, 1378 – Citroën-Vertragshändler m. Anm. Flohr ZAP F. 15, S. 459) ausgeführt, dass bei einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle bei Absatzmittlungsverträgen und damit auch von Franchiseverträgen die jeweilige Gruppenfreistellungsverordnung, sei es die Vertikal-GVO oder bei Vertragshändlerverträgen die seinerzeit noch geltende Kfz-GVO als Wertungsmaßstab i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden sind, d.h. Regelungen, die nach den jeweiligen Gruppenfreistellungsverordnungen unzulässig sind, sind ebenfalls nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB als unwirksam anzusehen, da diese den Franchisenehmer unangemessen benachteiligen. An dieser an § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ausgerichteten Betrachtung ändert auch die seit dem 1.6.2010 geltende Fassung der Vertikal-GVO (EU-VO 330/2010) nichts (umfassend zur Bedeutung der Franchise-GVO für die zivilrechtliche Beurteilung von Franchiseverträgen: Flohr, in: Handbuch der EU-Gruppenfreistellungsverordnungen, 2. Aufl. 2012, § 14 Rn 242 ff.).

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