Der Umfang der Steuerverkürzung ergibt sich aus einer Gegenüberstellung von

  • Steuer-Soll (die durch Erfüllung eines Steuertatbestands kraft Gesetzes verwirkte Steuer) und
  • Steuer-Ist (die Steuer nach den bisherigen unzulänglichen oder unterlassenen Angaben festgesetzte/angemeldete Steuer).

Ob bei der Feststellung der Steuerverkürzung Steueranrechnungsbeträge (z.B. Vorauszahlungen, § 37 Abs. 1 EStG; Lohnsteuer, § 38 Abs. 1 EStG; Kapitalertragsteuer, § 43 Abs. 1 EStG) zu berücksichtigen sind, ist strafrechtlich noch nicht eindeutig geklärt. Zur steuerlichen Parallelfrage (verlängerte Festsetzungsfrist i.S.d. § 169 Abs. 2 S. 2 AO) hat der BFH (vgl. Urt. v. 26.2.2008 – VIII R 1/07, BStBl II 2008, S. 659 = wistra 2008, 436) entschieden, dass die Vorschrift einen hinterzogenen Betrag im Sinne eines Anspruchs voraussetzt, der wegen einer Steuerhinterziehung nicht realisiert werden konnte. Diese Überlegungen können nach überwiegender Ansicht auf das Strafrecht übertragen werden (Lindwurm AO-StB 2007, 218).

Kann die Finanzbehörde die verwirklichten Besteuerungsgrundlagen weder durch Ermittlungen beim Steuerpflichtigen noch bei Dritten ermitteln oder berechnen, ist sie kraft Gesetzes verpflichtet, diese zu schätzen (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO). Schätzungen der Finanzbehörde haben nach § 261 StPO keine automatische Bindung für den Strafrichter (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.10.1990 – 2 BvR 385/87, wistra 1991, 175; BGH, Urt. v. 5.5.2004 – 5 StR 139/03, wistra 2004, 391). Eine Schätzung ist aber auch im Steuerstrafrecht zulässig, wenn die Verwirklichung eines Besteuerungstatbestands bewiesen und lediglich die genaue Höhe der verkürzten Einnahmen nicht eindeutig beziffert werden kann. Bei einer eigenständigen Schätzung darf der Tatrichter auf die geläufigen steuerrechtlichen Schätzungsmethoden (Vermögenszuwachsrechnung, Geldverkehrsrechnung, Nachkalkulation, innerer/äußerer Betriebsvergleich, Richtsätze) zurückgreifen, denen unterschiedlicher Beweiswert zukommt (vgl. BGH, Besch. v. 6.10.2014 – 1 StR 214/14, NZWiSt 2015, 108; BGH, Urt. v. 28.7.2010 – 1 StR 643/09, StRR 2011, 30; Klein/Jäger, § 370 Rn. 96). Der Tatrichter darf zudem auch Schätzungen des Finanzamts übernehmen, wenn er sie überprüft hat und von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (BGH, Urt. v. 19.7.2007 – 5 StR 251/07, wistra 2007, 470).

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