Zu den weiteren praxisrelevanten Fallgruppen stellen die Fälle des Rotlichtverstoßes, die Missachtung der Durchfahrtshöhe, die Fälle der Gefahrerhöhung und der grob fahrlässig ermöglichten Entwendung des Kfz dar.

1. Leistungskürzung bei Rotlichtverstößen

Zu den ersten Gerichtsentscheidungen gehörten diejenigen, bei denen eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch einen Rotlichtverstoß bejaht worden ist. Allen Entscheidungen ist gemeinsam, dass ein schwerwiegender Sorgfaltspflichtverstoß bejaht worden ist, bei dem ein sog. Augenblicksversagen der Annahme einer groben Fahrlässigkeit nicht entgegenstand und die Gerichte eine Leistungskürzung in Höhe von mindestens 50 % bestätigt haben. Dies legt nahe, bei vergleichbaren Fällen keine geringere Leistungskürzung vorzunehmen, zumal beispielsweise bei der Entscheidung des LG Essen zugunsten des Versicherungsnehmers sogar ein sog. Mitzieheffekt (Anfahren des Nebenmanns bei grünem Abbiegepfeil) zu berücksichtigen war. Das LG Münster hat in dem von ihm entschiedenen Fall sogar erkennen lassen, dass es auch eine höhere Leistungskürzung bestätigt hätte (die allerdings vom Versicherer nicht vorgenommen worden ist). Da zugunsten des Versicherungsnehmers i.d.R. aber auch ein Augenblicksversagen zu berücksichtigen sein wird dürfte eine Leistungskürzung i.H.v. 50 % häufig eine angemessene Kürzungsquote darstellen.

 
Gericht Entscheidung Az. Quote Fall
LG Münster Urt. v. 20.8.2009 15 O 141/09 50 % Einfahrt trotz "Sonnenblendung"
LG Essen Beschl. v. 5.2.2010 135 C 209/09 50 % Mitzieheffekt bei großer Kreuzung
AG Duisburg Urt. v. 24.2.2010 3 C 2567/09 50 % Rotlicht missachtet
AG Geislingen Urt. v. 8.12.2009 3 C 580/09 50 % Rotlicht missachtet

2. Missachtung der Durchfahrtshöhe

Diese Fallgruppe ist sowohl bei den Kürzungen des Kaskoversicherers als auch Regressansprüchen des Vermieters bei der Vermietung von Kfz zu berücksichtigen, bei denen der Vermieter nach den Mietbedingungen einen Schutz wie ein Kaskoversicherer gewährt. Bei einer deutlichen Ausschilderung vor Ort wird in der Rechtsprechung i.d.R. eine grobe Fahrlässigkeit bejaht, wenn der Fahrer die zulässige offenkundig beschränkte Durchfahrtshöhe missachtet (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.9.2012 – 24 U 54/12, NJW-RR 2013, 142; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.1.2006 – 3 U 107/05, DAR 2006, 213).

 

Hinweis:

Die Tendenz in der Rechtsprechung geht zu einer groben Fahrlässigkeit, dann aber mit einer geringen Kürzungsquote.

Für die Quotenbildung gilt sodann Folgendes: Je besser die eingeschränkte Durchfahrtshöhe ausgeschildert worden ist und je deutlicher vor ihr gewarnt wird, desto schwerer wiegt das Verschulden des Versicherungsnehmers (Nugel, Kürzungsquoten nach dem VVG, § 2 Rn. 92 ff.). War er dagegen nicht mit dem Fahrzeug besonders vertraut, verringert dies sein Verschulden, es sei denn, die besonderen Höhenausmaße haben sich dem Versicherungsnehmer geradezu aufgedrängt (LG Göttingen, Urt. v. 18.11.2009 – 5 O 118/09, zfs 2010, 113). Die Bandbreite der Kürzungen in der hier einschlägigen Fallgruppe reicht von 1/3 bei ungewohnten und angemieteten Fahrzeugen bis zu 2/3 bei einer gewerblichen Benutzung und einem besonders krassen Fehlverhalten.

 
Gericht Entscheidung Az. Quote Fall
LG Köln Urt. v. 11.4.2012 26 O 174/10 2/3 2,7 m Lkw zu 1,8 m Parkhaushöhe
LG Hagen Beschl. v. 1.8.2012 7 S 31/12 50 % 3,5 m Lkw zu 3,2 m Tunnelhöhe
LG Konstanz Urt. v. 26.11.2009 3 O 119/09 50 % 2,9 m Lkw zu 2,4 m Parkhaushöhe
AG Meinerzhagen Urt. v. 27.2.2012 4 C 299/11 50 % 3,5 m Lkw zu 3,1 m Tunnelhöhe
OLG Düsseldorf Beschl. v. 17.9.2012 24 U 54/12 40 % 3,5 m Lkw zu 2,6 m Parkhaushöhe
LG Göttingen Urt. v. 18.11.2009 5 O 118/09 1/3 3,7 m Lkw zu 2,7 m Parkhaushöhe

3. Gefahrerhöhung bei abgefahrenen Reifen

Wenn die Benutzung des Fahrzeugs mit abgefahrenen Reifen einen Zustand von erheblicher Dauer erreicht hat und nicht nur einmalig gewesen ist kommt i.d.R. eine Gefahrerhöhung in Betracht. Hierfür dürfte die Profiltiefe eine erhebliche Indizwirkung haben, ggf. ergänzt um vorzulegende Rechnungen über die Wartung des Kfz (LG Passau, Beschl. v. 19.11.2011 – 1 O 329/11, VRR 2013, 32). Da dem Versicherungsnehmer in dieser Fallgruppe die eine Gefahrerhöhung begründenden Umstände bekannt gewesen sein müssen ist i.d.R. mit einer höheren Kürzungsquote zu rechnen, was sich auch in den beiden veröffentlichten Entscheidungen wiederspiegelt.

 
Gericht Entscheidung Az. Quote Fall
LG Passau Beschl. v. 19.11.2011 1 O 329/11 75 % Profiltiefe 1,0 mm
LG Darmstadt Beschl. v. 19.5.2011 1 O 9/11 50 % Profiltiefe 0,4 mm

4. Entwendungsfälle

Ermöglicht der Versicherungsnehmer den Diebstahl des Kfz durch ein leichtfertiges Aufbewahren des Fahrzeugschlüssels, kann der Kaskoversicherer ebenfalls zu einer quotalen Leistungskürzung nach § 81 VVG berechtigt sein, wobei i.d.R. maßgeblich ist, wie gut der Täter auf den Schlüssel zugreifen konnte und wie lange das Gefährdungsmoment gedauert hat. Eine vollständige Leistungsfreiheit ist aber nur in begründeten Ausnahmefällen möglich, während die Kürzungsquote häufig bei dem Bereich der mittleren groben Fahrlässigkeit bei 50 % liegen dürfte, wobei auch der Wert de...

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