a) Vorbemerkung

Von besonderer Bedeutung ist allerdings der Informationsaustausch innerhalb von Franchise-Systemen. Hier wird es notwendig sein, dass entsprechende Regelungen in das jeweilige Franchise-Vertragsmuster eingefügt werden.

In der neuen Vertikal-GVO (Erwägungsgrund 13) wird nämlich festgehalten, dass ein Informationsaustausch insb. bei einem dualen Vertrieb horizontale Bedenken aufwerfen kann. Die EU-Kommission geht davon aus, dass dieser Informationsaustausch wegen seines direkten Bezugs zur vertikalen Vereinbarung (z.B. Franchise-Vertrag) nur dann als Wettbewerbsbeschränkung durch die Vertikal-GVO freigestellt ist, wenn diese der Verbesserung der Herstellung oder des Vertriebs der Vertragswaren oder -dienstleistungen dient bzw. erforderlich ist.

Ergänzend dazu sind für Franchise-Systeme die Grundsätze in Ziff. 96 der Leitlinien zur Vertikal-GVO zu beachten. Danach dürfen allgemein Franchise-Geber und Franchise-Nehmer nur solche Informationen austauschen, die sich auf eine einheitliche Anwendung des Franchise-Systems beziehen.

b) Erforderliche/unerlässliche Informationen

Es kommt demgemäß auf die „Erforderlichkeit” des Informationsaustauschs zwischen Franchise-Geber und Franchise-Nehmer oder von Franchise-Nehmern untereinander an.

Wie diese Erforderlichkeit zu bestimmen ist, ergibt sich aber nicht aus der Vertikal-GVO – allerdings aber aus Ziff. 94 der Leitlinien zur Vertikal-GVO. Danach hatte eine zweistufige Prüfung zu erfolgen:

 
Stufe 1: Austausch der Informationen zwischen Franchise-Geber/Franchise-Nehmer oder Franchise-Nehmern untereinander muss der Durchführung des Franchise-Vertrags dienen.
Stufe 2: Die Informationen müssen erforderlich sein.

Anhaltspunkte für diese „Erforderlichkeitsprüfung” gibt die EuGH-Entscheidung vom 28.1.1986 (GRUR Int. 1986, 521 – Pronuptia). Danach sieht der EuGH in solchen Regelungen eines Franchise-Vertrags keine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung, wenn diese „unerlässlich” sind, damit das vermittelte Know-how und die vom Franchise-Geber geleistete Unterstützung nicht Konkurrenten des Franchise-Systems zugutekommt.

Dazu gehören aus der Sicht des EuGH folgende Regelungen eines Franchise-Vertrags:

  • Das dem Franchise-Nehmer auferlegte Verbot, während der Vertragsdauer und während eines angemessenen Zeitraums nach Vertragsbeendigung ein Geschäft mit gleichem oder ähnlichem Zweck wie das Franchise-Outlet in einem Gebiet zu eröffnen, indem er zum Franchise-System in Konkurrenz tritt;
  • Die Verpflichtung des Franchise-Nehmers, sein Geschäft nicht ohne Einwilligung des Franchise-Gebers auf Dritte zu übertragen;
  • Die Verpflichtung des Franchise-Nehmers, die vom Franchise-Geber entwickelten Geschäftsmethoden und das von diesem übermittelte Know-how anzuwenden und einzusetzen;
  • Die Verpflichtung des Franchise-Nehmers, Vertragswaren nur in seinem Franchise-Outlet zu verkaufen unter Beachtung des einheitlichen Erscheinungsbilds des Franchise-Systems;
  • Die Verpflichtung des Franchise-Nehmers, sein Geschäft nicht ohne Einwilligung des Franchise-Gebers an einen anderen Ort (in oder außerhalb seines Vertragsgebiets) zu verlegen;
  • Die Verpflichtung des Franchise-Gebers, nur Waren des Franchise-Gebers oder aber solche Waren zu verkaufen, die der Qualität der Ware des Franchise-Gebers entsprechen, um so das Ansehen des Franchise-Systems zu gewährleisten, jedoch unter Freigabe von Querlieferungen von Franchise-Nehmers untereinander;
  • Die Verpflichtung des Franchise-Nehmers, Werbung für die Vertragswaren nur mit Einwilligung des Franchise-Gebers durchzuführen, wobei sich das Einwilligungserfordernis nur auf die Art der Werbung beziehen kann.

Die zu diesen Regelungen des Franchise-Vertrags notwendigen Informationen sind aus Sicht des EuGH unerlässlich – stellen demgemäß überhaupt keine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung dar. Zugleich lassen diese Ausführungen des EuGH aber auch Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit des Informationsaustauschs zu: Was „erforderlich” ist, ist zugleich auch „unerlässlich” oder umgekehrt – „unerlässliche” Informationen sind zugleich „erforderlich”, um das Franchise-System führen zu können.

Dabei muss allerdings gesehen werden, dass der EuGH und die EU einen unterschiedlichen dogmatischen Lösungsansatz haben: Während ein „unerlässlicher Informationsaustausch” innerhalb eines Franchise-Systems aus Sicht des EuGH überhaupt nicht kartellrechtswidrig ist, sieht die EU-Kommission den „erforderlichen Informationsaustausch” grds. als eine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung an, die allerdings aufgrund der Vertikal-GVO vom Kartellverbot des Art. 101 I AEUV freigestellt ist.

Im Ergebnis führen aber beide dogmatischen Betrachtungen zum gleichen Ergebnis: Der Informationsaustausch innerhalb von Franchise-Systemen ist so lange nicht kartellrechtswidrig, wie die ausgetauschten Informationen für das Franchise-System unerlässlich bzw. erforderlich sind und nicht zu horizontalen Absprachen führen.

Somit ist auch davon auszugehen, dass der Austausch nachfolgender erforderlicher Informationen zwar eine Wettbewerbsbeschränk...

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