Rund ein Jahr nach Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers zur Neuregelung u.a. des anwaltlichen Berufsrechts (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 18/2019, S. 941) hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) nun einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt.

Anfang November präsentierte das Ministerium den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe. Er sieht eine umfassende Neuregelung des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) und der Patentanwaltsordnung (PAO) vor.

Ziel der Neuregelung ist es, der Rechtsanwaltschaft, der Patentanwaltschaft und den Steuerberatern gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit zu gewähren, weitgehend einheitliche und rechtsformneutrale Regelungen für alle rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften zu schaffen und die interprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern. Außerdem wird die Berufsausübungsgesellschaft als zentrale Organisationsform rechtsanwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt. Zukünftig soll daher Anknüpfungspunkt der berufsrechtlichen Regulierung nicht mehr ausschließlich der einzelne Berufsträger sein, sondern auch die Organisationseinheit, in der dieser seinen Beruf ausübt. Darüber hinaus enthält der Entwurf zahlreiche weitere Änderungen im Berufsrecht, etwa zum Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen.

Der Referentenentwurf beinhaltet insb. die folgenden Regelungen:

  • Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit: Zukünftig sollen für die Berufsausübungsgesellschaften der Rechtsanwälte, der Patentanwälte und der Steuerberater alle Gesellschaftsformen, d.h. alle Europäischen Gesellschaften, Gesellschaften nach deutschem Recht und Gesellschaften in einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zulässigen Rechtsform zur Verfügung stehen.
  • Die neuen Berufsausübungsgesellschaften werden auch Träger von Berufspflichten. Grund dafür ist, dass es nach Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr sachgerecht ist, wenn nur die natürlichen Berufsträger Adressaten der Berufspflichten sind; denn deren Einhaltung hängt häufig auch von der spezifischen Organisation der Gesellschaft ab.
  • Grundsätzlich sollen alle Berufsausübungsgesellschaften zukünftig zulassungspflichtig sein und Mitglieder der Rechtsanwaltskammern, Patentanwaltskammer bzw. der Steuerberaterkammern werden. Die Zulassung der Berufsausübungsgesellschaft soll den Kammern insb. bei der GmbH sowie bei interprofessionellen Gesellschaften die Überprüfung ermöglichen, ob diese die für die Einhaltung der Berufspflichten erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Sie werden in die elektronischen Verzeichnisse der Kammern eingetragen und erhalten ein eigenes Gesellschafts-beA.
  • Einheitliche Anforderungen an Gesellschafter- und Kapitalstruktur: Die bisherigen Mehrheitserfordernisse entfallen. Die Absicherung der Einhaltung der Berufspflichten soll künftig dadurch erfolgen, dass die Berufsausübungsgesellschaft ihnen unmittelbar unterliegt.
  • Erleichterung der interprofessionellen Zusammenarbeit: Für Rechtsanwälte soll beispielsweise zukünftig die Möglichkeit bestehen, mit einem Architekten zusammenzuarbeiten, wenn sie im Bereich des Baurechts beraten. Ein weiterer möglicher Anwendungsbereich ist die Zusammenarbeit mit Ärzten im Bereich des Medizinrechts oder die Zusammenarbeit mit Ingenieuren bei der Beratung im Anlagebau.
  • Regelung der ausländischen Berufsausübungsgesellschaften: Es sollen klare Regelungen für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch ausländische rechts- und patentanwaltliche Berufsgesellschaften mit Sitz außerhalb der Europäischen Union geschaffen werden.
  • Ausweitung des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen: Das berufsrechtliche Verbot wird – auch mit Blick auf die Sozietätssachverhalte – weiter ausgedehnt. Es soll künftig schon dann greifen, wenn der Anwalt „eine für die Rechtssache bedeutsame vertrauliche Information erhalten hat”. Einige Berufsrechtler sehen speziell diese geplante Regelung kritisch: Sie drohe, die Grenzen zwischen Parteiverrat und Verschwiegenheitspflicht in problematischer Weise zu verwischen, und könne zu Anwendungsproblemen führen, so ihre Befürchtung.

Der vorliegende Referentenentwurf ist nur der erste konkrete Schritt, das (u.a.) anwaltliche Berufsrecht umfassend zu modernisieren. Parallel hierzu laufen noch die Vorbereitungen zu einer Novellierung des Personengesellschaftsrechts (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 10/2020, S. 505 u. ZAP 17/2020, S. 885 f.) sowie Vorstöße, das anwaltliche Berufsrecht mit Blick auf die Konkurrenz von Legal Tech-Unternehmen weiter zu lockern (vgl. dazu auch den nachstehenden Beitrag). Auch ein Vorhaben mit ...

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