Grundsätzlich kann der Eigentümer frei entscheiden, ob er sein Grundstück im Sinne eines "englischen Gartens" pflegt oder verwildern lässt (§ 903 BGB). Störungen, die lediglich das ästhetische Empfinden beim Anblick eines ungepflegten Nachbargrundstücks betreffen, begründen keinerlei Rechtsansprüche. Von Extremfällen und ganz außergewöhnlichen Umständen abgesehen (dazu: OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1231 zur Schädigung von Erikakulturen durch Brennesselsamen), kann der Eigentümer grds. das Herüberwehen von Unkrautsamen vom Nachbargrundstück nicht abwehren (OLG Düsseldorf OLGZ 1993, 451; LG Stuttgart MDR 1965, 990; OLG Karlsruhe RdL 1972, 8). Lösen allein Naturkräfte die Störung aus, so bestehen keine Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gegen den Nachbarn gem. §§ 1004, 906 BGB. Dies ist nur dann anders, wenn er oder sein Voreigentümer die Störung durch eigene Handlungen oder pflichtwidriges Unterlassen selbst mit verursacht haben (BGH NJW 1985, 1773; a.A. Schmid NJW 1988, 29). Dann kommt ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder eine Inanspruchnahme des Nachbarn als Störer aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Beklagten zurückgeht, was bei einem Unterlassen wiederum eine Handlungspflicht (Verkehrssicherungspflicht) voraussetzt (BGH, Urt. v. 16. 2. 2001 – V ZR 422/99, ZAP EN-Nr. 291/2001). Der BGH hat nicht nur eine Störerhaftung, sondern auch eine Verkehrssicherungspflicht verneint, wenn die Beeinträchtigungen zwar auf dem Zustand des Nachbargrundstücks beruhen, dieser aber ausschließlich durch Naturkräfte oder durch normale und übliche (landwirtschaftliche) Grundstücksnutzungen mit unumgänglicher nachteiliger Einwirkung für die Nachbarn hervorgerufen worden ist (BGH, a.a.O., entschieden für einen Weinberg, der ein Jahr lang nicht bewirtschaftet wurde, was zu einem Mehltaubefall der benachbarten Rebstöcke führte).

Ganz ausnahmsweise kann sich in Extremfällen ein Beseitigungsanspruch aus § 242 BGB aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergeben, wenn dies aus zwingenden Gründen eines billigenden Interessenausgleichs geboten ist. In der Regel wirkt das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis aber nur als Schranke der Rechtsausübung, als Ergebniskorrektur (BGH, a.a.O., m.w.N. zur Rspr.; vgl. näher: Horst, Rechtshandbuch Nachbarrecht, Rn 282 ff., S. 81, Rn 1356, S. 369). So kommt ein Anspruch auf dieser Grundlage in Betracht, wenn in einer reinen Wohngegend mit sämtlich gärtnerisch gut gepflegten Grundstücken ein Grundstück über Jahre hinaus verwahrlost wird und der Grundstückseigentümer die Möglichkeit gehabt hätte, dem ohne großen Aufwand Einhalt zu gebieten (vgl. OLG Karlsruhe RdL 1972, 8; s. auch: BGH NJW 1984, 2207; BGHZ 28, 110).

Für eine Bausiedlung (AG Tecklenburg MDR 1981, 51) oder für einen mit Mehltau befallenen Weinberg (BGH, Urt. v. 16.2.2001 – V ZR 422/99, ZAP EN-Nr. 291/2001) gelten diese Ausnahmen nicht.

Anstelle eines Beseitigungsanspruchs kann sich ebenso als Ausnahme aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis auch ein Schadenersatzanspruch ergeben. Dies hat der BGH bei Schädlingsbefall mit Auswirkung für Nachbargrundstücke erwogen (BGH, Urt. v. 7.7.1996 – V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2635). Sei ein Eigentümer zur Verhinderung von Schädlingsbefall nicht verpflichtet, so könne dem Nachbarn aus dem Grundsatz des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses das Recht zuzubilligen sein, Bekämpfungsmaßnahmen auf dem Grundstück zu ergreifen, von dem die Störung ausgeht; dies zumindest dann, wenn diese Maßnahmen das störende Grundstück nicht unzumutbar beeinträchtigen. Ein solches Vorgehen zum eigenen Schutz setze voraus, dass der Nachbar von dem Eigentümer, auf dessen Grundstück Bekämpfungsmaßnahmen notwendig werden, rechtzeitig über den Befall oder über den drohenden Befall informiert werde. Dazu könne der Nachbar nach § 242 BGB im Hinblick auf die nachbarliche Verbundenheit verpflichtet sein. Verletze er diese Pflicht, hafte er nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Dies komme aber nur in Betracht, wenn er auf die Information über die drohende Gefahr angewiesen sei, sie also nicht selbst habe erkennen können (verneinend im Falle eines mehltaubefallenen Weinbergs: BGH, Urt. v. 16. 2. 2001 – V ZR 422/99, ZAP EN-Nr. 291/2001).

Eine Verunkrautung vor dem Grundstück auf dem Gehweg oder auf öffentlichem Straßengrund kann dagegen über ein Eingreifen der Gemeinde durch Ersatzvornahme nach entsprechender Androhung auf der Grundlage der Straßenreinigungssatzung unterbunden werden.

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