§ 626 BGB regelt das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen geltende außerordentliche Kündigungsrecht. Sondervorschriften existieren u.a. in § 22 Abs. 4 BBiG und in den §§ 6769 SeeArbG. Das außerordentliche Kündigungsrecht ist unabdingbar. Auch unzumutbare Kündigungserschwerungen sind unwirksam.

1. Vorliegen eines wichtigen Grundes

Eine Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB ist möglich, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Die Prüfung erfolgt zweistufig: Zunächst muss ein "an sich" wichtiger Kündigungsgrund vorliegen. Ist dies der Fall, erfolgt die Interessenabwägung (BAG NZA 2010, 698, 699).

 

Praxishinweis:

Vorsorglich sollte jede außerordentliche fristlose Kündigung "hilfsweise ordentlich" ausgesprochen werden!

a) Wichtiger Grund "an sich"

Ein an sich wichtiger Grund zur Kündigung kann in einer erheblichen Verletzung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht oder in der schuldhaften Verletzung einer Nebenpflicht liegen. Bei einer Nebenpflichtverletzung müssen jedoch erschwerende Umstände verstärkend hinzutreten (BAG NZA 2010, 1348, 1349 f.).

Als wichtiger Grund an sich geeignet ist nicht nur eine erhebliche Pflichtverletzung im Sinne einer nachgewiesenen Tat, sondern auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung (BAG NZA 2014, 243, 244). Sind Integrität von Eigentum oder Vermögen des Arbeitgebers betroffen, liegt ein an sich wichtiger Grund unabhängig vom Wert des betroffenen Gegenstands vor (BAG NZA 2014, 243, 244).

Bei betriebs- oder personenbedingten Gründen ist dem Arbeitgeber grundsätzlich eine ordentliche Kündigung zuzumuten. Ausnahmen kommen bei ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern in Betracht (s.u. V. 3.).

b) Interessenabwägung

Im Rahmen der Interessenabwägung sind regelmäßig (BAG NZA 2010, 1227, 1231)

  • das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung,
  • der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
  • eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie
  • die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf;

ferner (BAG NZA-RR 2010, 516, 517 f.)

  • Unterhaltspflichten,
  • Lebensalter,
  • Fehlen einer konkreten Schädigung des Arbeitgebers oder
  • ein vermeidbarer Irrtum des Arbeitnehmers (BAG NZA 2014, 533, 536)

zu berücksichtigen.

Ein Nachtatverhalten vor Zugang der Kündigung kann sich nur schwach entlastend für den Arbeitnehmer auswirken, stützt aber die Annahme einer fehlenden Wiederholungsgefahr, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (BAG NZA 2015, 294, 297).

c) Keine milderen Mittel

Stehen mildere Mittel (ordentliche Kündigung, Abmahnung) zur Verfügung, scheidet eine Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB aus (BAG NZA 2010, 1227, 1231).

Da ein zumutbares Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist schon im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen ist, kommt an dieser Stelle nur der Abmahnung Bedeutung zu. Sie kann aber entbehrlich sein, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG NZA 2010, 1348, 1350).

d) Anhörung des Arbeitnehmers

Eine vorherige Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers ist nur bei einer Verdachtskündigung Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG NZA 2014, 1015, 1017). Davon unberührt bleibt die erforderliche Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG.

2. Ausschlussfrist

Nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist – für deren Wahrung der Kündigende darlegungs- und beweisbelastet ist (BAG NZA 1994, 934, 935) – beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, § 626 Abs. 2 S. 2 BGB.

Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (BAG NZA 2015, 621, 623).

Hat der Kündigungsberechtigte bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann er nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG NZA 2015, 621, 623). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer Woche erfolgen und darf nur bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. Erkrankung) länger dauern (BAG NZA 2014, 1015, 1016 f.).

Bei "Dauerstörtatbeständen", die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen (z.B. lang andauernde Arbeitsunfähigkeit oder häufige Kurzerkrankungen), reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Störung auch noch in den letzten...

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